Gestern war der 15. Tag unserer Reise und wir ließen die Motorräder stehen. Ein besonderer Reiz bestand im Ausschlafen, besonders an einem Montag! Wir hatten ein winziges Frühstück in den Vorräten und haben einfach dem Nichtstun gefrönt. Erst am späten Vormittag haben wir uns aufgerafft und sind zu Fuß nach Barcelonette gewandert.
Der Weg - den man uns empfohlen hatte - führte durch dichtes Unterholz und endete in einer rabiaten Kletterpartie bergab! Wir haben bis zur Fußgängerzone im Ortszentrum fast eine Stunde gebraucht! Wie auch schon 2008 haben wir ausgiebig die franko-mexikanischen Villen aus der Jahrhundertwende fotografiert, die so typisch für dieses außergewöhnliche Städtchen in den Seealpen sind.
Mittags genehmigten wir uns ein ausgiebiges Frühstück, mit Pastis und Kaffee. Das volle Programm einer "Planche Mixte", der französischen Brettljause! Die 37.- haben uns nicht erschreckt, das war ganz ok. Wir waren zufrieden mit uns und der Welt, als wir im örtlichen "Carrefour" eine größere Ladung "Saucisses aux herbes" erstanden haben. Die köstlichen Gewürzbratwürste gibts heute Abend!
Nachmittags vertrödelten wir ausgiebig Zeit in der höchst einfachen Bar-Tabac. So schmucklos das "Cafe de la Paix", so nett waren die Leute. Wir haben es ihnen mit größeren Gebinden von Bier und giftgrünem Pfefferminzsaft gedankt! Schwüle 28°C verleideten uns jede weitere Aktivität.
Hättet ihr gedacht, dass die gefürchteten Schilder "ROUTE BARRÉE" auch für Fußgänger gelten?! Was für eine Zirkusnummer, als wir im Guerilla-Style mit Räuberleiter über die Baustelle kletterten, die das Dorf von unserem Campingplatz trennte! Hätten wir Zuschauer gehabt, brüllendes Lachen hätte uns bis nach Hause begleitet.
Dass wir um 16:15 Uhr trocken in unserer Hütte angekommen sind, war dann reines Glück! Buchstäblich Sekunden später ging ein sagenhafter Wolkenbruch nieder, der sich auch nicht mehr beruhigte. Doch wer braucht mehr als eine Holzhütte, Bratwürste, Mayonnaise-Salat und einen guten Bordeaux?
Tageskilometer: 7,6 km (oder 10.570 Schritte pro Person)
16. Tag: Col de la Bonette (2.715m)
Wir sind ein wenig nervös! Nicht, weil uns das heutige Tagesziel Respekt einflösst. Den Col de la Bonette kennen wir schon, der ist problemlos zu befahren. Aber hier regnet es jeden Tag ab dem späten Nachmittag! Wir wollen keine Pässetour im Regenzeug machen! Um 8:00 Uhr sitzen wir beim Frühstück in der Hütte und beschließen, keine große Tagestour zu fahren. Nur einfach rauf auf den Pass und wieder zurück. Das sollte sich im Sonnenschein ausgehen!
Es ist nahezu wolkenlos bei 15°C, als wir mit den Transalps über den aufgeweichten Wiesenboden unseres Campingplatzes rollen. Über Barcelonnette kurven wir gemächlich ´rüber nach Jausiers. Wir halten uns an die Uferlinie des Ubaye, der hier ganz gemütlich dahinfließt. Weiter westlich ist dieser Wildbach selbst für geübte Kanuten nahezu unbefahrbar.
Fast hätten wir das unscheinbare Schild übersehen! Aber unsere Erinnerung an die Auffahrt auf den Gipfel 2008 ist noch fast frisch. Da steht schon das berühmte hellbraune Schild "Route de la Bonette - La plus haute d´Europe alt. 2.802". Die höchste befahrbare Alpenstraße Europas! Und dann steigt die Straße plötzlich merkbar an. Wir sind nun auf der "Route des Grandes Alpes" und es geht immer höher hinauf.
(>> Clip)
Das Tal wird immer enger und wir sehen die ersten felsigen Abhänge. Nur ein, zwei Kehren später befinden wir uns über der Baumgrenze und cruisen gemütlich zwischen einigen Schneefeldern dahin, die der Winter hier zurückgelassen hat.
Oh Schreck! Was macht der Depp da in der Kurve?! Da hockt ein Typ nur Zentimeter neben der Fahrbahn mit einer lächerlich überdimensionierten Fotoausrüstung! Kopfschüttelnd rollen wir vorbei. Was tut der da?
Erst viel später dämmert uns: Das ist wohl einer der neuerdings so beliebten "Kurvenfotografen", die für eitle Motorrad-, Fahrrad- und Oldtimerpiloten Fotos knipsen, die man dann zu absurd überteuerten Preisen erstehen kann. Nein, sowas ist nichts für uns!
Wir sind nun über der Baumgrenze und cruisen durch eine grausteinerne Mondlandschaft. Schau, das Fort Restefond links in der Kurve! Doch wie so vieles, ist auch dieser hohe Gipfel beim ersten Mal beeindruckender und wir cruisen gelassen weiter bergauf.
Hier heroben ist heute ganz schön was los! Wir halten dort, wo heute alle Motorradfahrer parken: Am Fahrbahnteiler zum "Cime", der Gipfelschleife, die ganz hinauf auf 2.802 m führt.
Die ist heute gesperrt. Schneefahrbahn am 5. Juni! Nur ein einsamer Radfahrer versucht es trotzdem und hält eifrig auf die Schneeräummaschine zu, die nachdrücklich den Weg versperrt.
Wir genießen die Aussicht auf 2.715 m Seehöhe und schauen hinunter Richtung Nizza. Wie sich die Straße über die Berghänge schlängelt! Wie sich diese karge Landschaft über die Gipfel zieht. Wir kneifen die Augen zu: Ob man von hier aus das Mittelmeer erkennt?
Während unserer kontemplativen Gedanken nervt ein lauter deutscher Motorradfahrer nicht nur uns sondern alle Anwesenden mit seiner Fotoausrüstung. So wie "Adventure-Gary" in seinem blütenweißen Enduro-Dress herumgockelt, hat er bald keine Freunde mehr. Auch seine Sozia hat längst das Weite gesucht. Jetzt lässt er mit lautstarken Kommentaren seine Drohne zum Gipfel aufsteigen. Möge das blöde Ding abstürzen! Seine fünf Bordkameras - eine sogar auf einem langen Selfie-Stick montiert - sollten doch zur Selbstdarstellung reichen?
Es ist kurz vor 11:00 und wir haben alles gesehen. Hier ist uns nicht genug Ruhe. Noch schnell ein Foto von der Marienstatue, die hier über die Gipfel und die Besucher wacht und wir machen uns vom Acker.
Gemächlich lassen wir die Transalps ins Tal laufen. Diesmal sind es zwei Kurvenfotografen verschiedener Firmen, die uns eilfertig ablichten. Was für eine lächerliche Selbstinszenierung ist das, wenn man von sich selbst solche Fotos kauft? Macht das wirklich jemand?
Ein paar Kehren später halten wir an der "Caserne de Restefonds". Angelika möchte unbedingt hinein und ein paar Fotos machen!
Eigentlich ist ja das Betreten verboten, aber das nehmen längst nicht alle ernst...
Uns sind solche Militärbauten aus den italienischen Dolomiten vertraut, aber nicht alle sind so gut erhalten, wie diese hier, obwohl sie sogar 10 Jahre vor dem 1. Weltkrieg erbaut und auch im 2. Weltkrieg noch als Teil der Maginot-Linie genutzt wurde.
Es ist 11:30 Uhr - Mittagszeit! Was für ein Glück, dass wir gleich am Ortsanfang die schöne Holzhütte entdecken, die mit Sonnenschirmen und blauen Sesseln Gäste anlockt. Nur Minuten später hocken wir im Schatten und mampfen bei "Valleia" köstlich fette Burger mit Pommes, die heute á 14.- als Tagesgericht ausgepreist sind.
Um 12:30 Uhr wollen wir weiter. Doch was anfangen mit dem angebrochenem Tag? Das angesagte Unwetter - wegen dem wir unsere Tagestour verkürzt haben - ist nicht gekommen, die Sonne scheint unverändert vom blitzblauen Himmel. Schnell entschlossen düsen wir jetzt ´rüber nach Barcelonnette zu unserem Tschecherl "Café de la Paix". Kaffee und Pfefferminzsaft gehen immer!
Und weil am Nachmittag immer noch Schönwetter herrscht, tuckern wir später noch an unserem Campingplatz vorbei und die Straße höher hinauf. Wie schaut es oberhalb unserer Hütte aus? Es sind nur zwei oder drei sehr steile Kehren nach "Le Sauze" auf 1.400m Seehöhe.
Was als Frankreichs ältestes Ski-Ressort angepriesen wird, ist letztendlich auch nur eine Ansammlung liebloser aber monströser Hotelburgen im Pseudo-Alpenstil, aufgelassene Lokale, stillgelegte Skilifte und was sonst noch an Trostlosigkeiten ein massentouristisches Skigebiet im Sommer auszeichnet.
Um 14:00 Uhr sind wir wieder bei unserer geliebten Hütte in Enchastrayes und genießen den sommerlichen Sonnenschein.
Unwetter ist endgültig abgesagt! Wir machen uns noch einen schönen letzten Urlaubstag hier in den Bergen, denn morgen geht es weiter Richtung Österreich!
Tageskilometer: 75 km
PS.: Der Kurvenfotograf nahm letztendlich 25.-/Foto und wir haben vier Stück bestellt. Die hängen jetzt als Erinnerung an unsere guten alten Transalps schön gerahmt in unserer Wohnung.
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