Juchuu! Der Regen ist weg und es scheint wieder die Sonne! Das Gras ist noch nass und kalt, aber es wird wieder ein schöner Tag! Das ist das Gute am Süden: Die gewisse Wettersicherheit! Uns ist noch gut in Erinnerung, wie wir 2019 in Norwegen jeden Tag aufwachten und besorgt aus der Hütte guckten, ob uns der Winter nicht doch eingeholt hat.
Horch! Jetzt aber schnell! Svenjas Arrow Titanauspuff ist nicht zu überhören, als sie putzmunter winkend und voller Vorfreude über den ruhigen Campingplatz fräst und oben an der Rezeption anhält. Es ist kurz nach 8:00 Uhr. Ha, ihr nächtlich-feierwütigen Harleyfahrer aus Hütte Nr. 3, nehmt das!
Wir räumen in Windeseile unsere Hütte und beseitigen die Spuren des abendlichen Gelages. Das war sensationell! Ein Premiumabend!
Und schon rollen wir mit unseren dezent blubbernden Zweizylindern ebenfalls hoch zur Rezeption. Wie toll ist das denn! Svenja hat uns nicht nur Brötchenservice gecheckt, wir bekommen sogar Frühstück serviert!
Eine Stunde lang sitzen wir im Sonnenschein des wunderschönen Gartens vom "Yelloh Camping" und jausnen und feiern noch einmal unsere Freundschaft. Die Baguettes sind knusprig, die selbstgemachte Marmelade lecker und die haben richtig guten Kaffee hier! Und wir schmieden neue Pläne: Wir könnten doch? Im September vielleicht? Aber das ist eine andere Geschichte...
Nach einer letzten herzlichen Umarmung trennen sich unsere Wege. Wir wollen gen Osten und Svenja fährt weiter den Tarn entlang Richtung Millau. Ihre Iso-Matte schwächelt und dort soll es Sportgeschäfte geben. Sie winkt uns, bis sie hinter dem nächsten Felsdurchbruch verschwindet. Wir haben mächtig mit unserem Wissen angegeben, dass nun der absolut schönste Teil der Tarnschlucht auf sie wartet. Wir sind neugierig, ob sie das auch so empfindet?
Wir klettern auf unsere Transalps. Hier war es wunderbar! Aber jetzt geht es weiter! Die Morgennebel heben sich jetzt langsam über die Kreidefelsen.
Wir fahren ganz langsam, um jeden Meter der Gorges du Tarn auszukosten. Was für eine außergewöhnliche Route! Meist fahren wir ganz knapp am Bankett, um möglichst oft in die tiefe Schlucht hinunter zu sehen und zu fotografieren. Ist das da unten Castelbouc? Wohnen da Menschen? (Tatsächlich war das Dorf bereits ausgestorben, bevor es von jungen Idealisten wieder besiedelt wurde!)
Ein wahrlich pittoreskes Dorf "semi-troglodyte", dessen Häuser halb in den Fels gebaut sind, liegt weit unter uns. Wie alt mag das sein? Schau, da stehen Autos! Wollen wir versuchen, da hinunter zu fahren? Aber wir sollten weiter. Wir bleiben eh schon jeden Meter stehen! Pro-Tipp: Nehmt euch für die Tarn-Schlucht ausreichend Zeit, ihr werdet sie brauchen!
Das Tal weitet sich und wir haben großartige Ausblicke auf den Fluss, der immer schmaler wird. Wir sind unterwegs in Richtung Tarn-Quelle! Wolken ziehen auf! Und zwar dermaßen aussagekräftige Wolken, dass wir in der Nähe von Florac an einer sehr fotogenen Steinbrücke anhalten.
Den Blick auf die dunkelschwarze Wolkenfront gerichtet diskutieren wir, ob wir das Regenzeug anlegen sollen. Wird der 12. Reisetag der erste mit Regen? Wir wollen da vorne über den 1.700 m hohen Mont Lozère und wenn oben ein Unwetter losbricht? Seufzend schlüpfen wir erstmals auf dieser Reise ins gelbe Regenzeug.
Währenddessen fahren LKWs, Wohnmobile und zahlreiche Radfahrer an uns vorbei und ausnahmslos alle grüßen freundlich ´rüber. Wie anders das ist als bei uns zuhause! Dort wären wir am schmalen Straßenrand sicher allen nur im Weg gestanden. Die Freundlichkeit der Franzosen begeistert uns immer wieder!
Wir überqueren die "Pont du Tarn", unter welcher der Fluss träge dahinfließt. Wir folgen ihm nun auf der D998. Es wird immer enger und kurviger. Der Nationalpark der Cevennen ist eine unwahrscheinlich spektakuläre Gegend! Uns gefällt es hier fast noch besser als in der berühmten Tarnschlucht.
Es ist ursprünglicher, verlassener, wilder und nahezu unbewirtschaftet! Die auffällige Kirche von Bédouès haben wir leider versäumt, anzusehen. Ein Punkt für unsere nächste Reiseplanung, denn ein Dorf mit 200 Einwohnern gilt hier schon als Metropole.
Vorsichtig zirkeln wir die Transalps um jede schmale Kurve und kleben förmlich am rechten Straßenrand. Wenn uns hier jemand entgegenkommt, wird es ungut! Wir brauchen für die kurzen 15 Kilometer unverhältnismäßig lange und es ist uns vollkommen egal! Wir haben für diese Gegend vorausschauend nur kurze Tagestouren geplant!
Da vorne ist schon Le-Pont-de-Montvert! Der Hauptort in dieser Gegend. Immerhin 300 Einwohner. Die schwierige Lage, die Einsamkeit des Ortes hat die meisten Bewohner vertrieben. Schafzucht und ein wenig Tourismus. Mehr ist hier nicht! Wir tuckern durch das winzige Dorf und über die historische als auch namensgebende Steinbrücke. Wir suchen den Weg auf den Mont Lozère!
Die Sträßchen sind absurd schmal und von Felsen gesäumt und den meisten der winzigen Autos sieht man das an. Hier läuft es offenbar noch etwas rauer, herzlicher und mit weniger Drama bei Blechschäden, wie wir aus den Augenwinkeln beobachten können. Aber Achtung! Da vorne beim kleinen Hotel "Quelle des Tarn" ist die Auffahrt auf die D20!
Es sind nur zwei oder drei rabiate Serpentinen in die Höhe und schon bremsen wir abrupt vor einem gelben Warnschild. Wir können das Wichtigste entziffern: Die Strecke über den Mont Lozère ist seit Mai gesperrt. Bis inklusive heute abends?! Darf das wahr sein?! Auf diese Bergetappe haben wir uns wirklich gefreut!
Sollen wir es trotzdem probieren? Nein, lieber nicht. Das Wetter schaut für so einen Stunt nicht gut genug aus. Enttäuscht wuchten wir unsere Transalps mühsam um die eigene Achse und rollen den steilen Weg wieder ins Dorf. Zum Glück hat Angelika ganz detaillierte Karten besorgt, denn jetzt müssen wir diesen Gipfel in den Cevennen umrunden.
Unsere Enttäuschung über die "Route Barrée" ist jedoch sofort verflogen! Die D908 ist eine großartige und spektakuläre Höhenstraße! Eng am Bergrücken und hoch über dem bewaldeten Tal zirkeln wir unsere Transalps um unzählige enge Kurven mit grandioser Aussicht. Das also sind die Cevennen!
Wir schwitzen in unser Regenzeug. Die Wolken haben sich komplett aufgelöst und es hat heiße 32°C! Hohe Pinien und gelbleuchtender Ginster sind ein deutlicher Hinweis auf südliche Gefilde!
Kurz vor Vialas/Soleyrols machen wir an einer uralten Steinbrücke eine kurze Pause und lenken die beiden Hondas am Straßenrand ins Gestrüpp. Puuhh, ist das eng hier! Wir sind erneut froh über unsere neue schmale Gepäckslösung, die überhaupt nicht aufträgt.
Wir müssen dringend unser Regenzeug loswerden! Es ist unerträglich heiß-schwül geworden und die Kurvenorgie der engen Fahrbahn macht uns müde. Wir gehen ein paar Schritte und trinken etwas Zaubertrank aus der Thermosflasche. Besser jetzt!
Wir freuen uns über jeden Meter dieser außergewöhnlichen Gegend und nehmen aus den Augenwinkeln wahr, dass wir nun im Départment Gard gelandet sind. Das Lozère liegt hinter uns. Erst später werden wir recherchieren, dass die auffällig dichten Wälder hier zum "Nationalpark Ardèche" gehören. Dem waldreichsten Gebiet Frankreichs!
Bei Genolhac wenden wir uns Richtung Norden. Die D906 lädt endlich ein, etwas Gas zu geben. Die Kurvenradien werden ein bissl größer und die Straße gefühlt etwas breiter. Wir haben einen Plan! Doch während der schwungvollen Fahrt sehen wir, wohin sich das drohende Unwetter hinverzogen hat. Genau dorthin, wo unser Ziel liegt!
Es ist vier Jahre her, dass Svenja hier entlang fuhr und in ihrem Bericht fanden wir etwas, das sich für uns anzusehen lohnt: Thines und sein kleines Café! Das uralte, winzige Steindorf. Noch urälter und winziger als viele andere. Doch der Berghang, an dem eine Handvoll Einheimischer wohnen soll, ist in Gewitterwolken verschwunden.
Wir sind in Villefort und rollen auf dem grauen und etwas lieblosen Hauptplatz aus. Wir müssen uns beraten! Und weil wir großen Hunger haben - das Frühstück am Tarn-Ufer ist schon lange her! - entern wir die repräsentativste Pizzeria "Chez Fernand" am Platz. Es ist knapp 14:00 Uhr und die anderen sperren wetterbedingt schon zu!
Die Entscheidung fällt uns schwer. Thines auslassen? Schon bei der Planung hat sich Angelika besonders darauf gefreut! Jedoch zieht nun Sturm auf, und wir müssen Servietten und Gläser festhalten. Nein, so wird das nichts! Didi liest auf seinem Smartphone schnell die Wettervorhersage. Vom Norden zieht ein Unwetter auf und plötzlich verdunkelt sich auch der Himmel. Wir mampfen die Pizzen im Höchsttempo und um 14:15 sind wir schon wieder reisefertig.
Wir legen blitzschnell 35.- für Pizza und Cola auf den Tisch und flüchten gen Süden! Die D901 ist gut ausgebaut und erlaubt mitunter die französische Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Wir freuen uns und geben Gas, die dunkelschwarze Gewitterfront im Rücken.
Auf dieser wunderbaren kurvigen Höhenstraße, die weite Blicke in die Täler ermöglicht, erreichen wir nach kurzer Fahrt Le Vans. Das heiß-dunstige Sommerwetter mit seinen 30°C hat uns wieder und wir rollen langsam durch den touristischen Ort. So einsam die Fahrt bisher war, so belebt, bunt und vielseitig ist die 3000-Seelen-Gemeinde im Département Ardèche.
Hier gäbe es einiges zu sehen, aber wir haben noch ein großes Ziel für heute! Daher tuckern wir langsam aus der Kleinstadt hinaus und geben wieder Gas. Langsam erreichen wir die Talsohle des Nationalparks. Die Landschaft wird lieblicher, fruchtbarer und flacher. Spätestens in kleinen Saint-Sauveur-de-Cruzières -der Name weit aufregender als der Ort- haben wir die Ebene erreicht.
Das Kurvengeschlängel der letzten Stunden vor hat uns ermüdet. Es macht Spaß, die Transalps einfach laufen zu lassen und seinen Gedanken nachzuhängen! Die D979 führt ohne nennenswerte Abwechslung schnurstracks südwärts! Wir staunen über die Weinfelder rings um uns und auch der ein oder andere Olivenhain erinnert an die Nähe zum Mittelmeer.
Wir nähern uns unserem letzten großen Ziel des Tages. Doch bevor wir die Kleinstadt Uzes umfahren, müssen wir uns orientieren! Da kommt uns das winzige Café "La Pause Broc´" vor Lussan gerade recht. Wir fangen gerade noch rechtzeitig die beiden Hondas ein und rollen auf den staubigen Parkplatz.
Hier wird eine Mischung zwischen wertvollen Antiquitäten, Ramsch und Trödel und selbstgemachte Spezialitäten angeboten. Und Kaffee und Kuchen! Wir sitzen eine Zeitlang vor dem Geschäft im Nirgendwo und studieren unsere Karten, die der starke Wind zu zerreissen droht.
Richtung Uzès wird der Verkehr immer mehr. Letztendlich stauen wir im dichten Freitag-Feierabendverkehr rund um die uralte Stadt. Wir bollern jetzt gemächlich durch eine wunderbar-liebliche Weinbaulandschaft. Manche zählen die weiten Ebenen hier schon zur Provence!
Kurz vor 18:00 stehen wir vor einer hochmodernen Schrankenanlage, die den Weg zu weitläufigen Parkplätzen am linken Ufer versperrt. Das kam unerwartet! Wir dachten, dass die größte römische Sehenswürdigkeit Frankreichs kostenlos einfach so in der Landschaft steht! Liebenswerte Naivität oder einfach doof? Eine Parkgebühr von 9.-/Fahrzeug wird für einen Besuch der "Pont du Gard" ausgerufen und missmutig ziehen wir ein Ticket, um den Schranken zu öffnen.
Obwohl wir von der schwülen Hitze komplett verschwitzt sind, beschleunigen wir unsere Schritte. Vorbei am großen Besucherzentrum, am Museum, am Kino und am völlig überteuerten Imbiss-Restaurant. Wir stiefeln stur den nicht enden wollenden Fußweg Richtung Aquädukt entlang. Ehrlich, so gerne wir etwas besichtigen, wenn es noch etwas länger gedauert hätte, wir hätten umgedreht!
Nach quälenden 700 Metern sehen wir sie endlich: Die Pont du Gard! Das massive römische Bauwerk erstreckt sich in drei Stockwerken 50 Meter in die Höhe! Plötzlich ist die Anstrengung und der teure Parkplatz vergessen und wir freuen uns, hier zu sein. Der Boden am Ufer des Gardon ist felsig und wir rasten auf einer von der Sonne gewärmten Felsplatte, die gewaltige Brücke im Blickfeld.
Infobox
Kaiser Nero ließ 50 n.Chr. in nur fünf Jahren das weltweit größte römische Aquädukt bauen, welches das römische Nemausus (Nîmes) mit 40.000m³ Frischwasser täglich zu einer noblen Stadt mit Thermen, Brunnen und Fließwasser in den Villen machte.
500 Jahre hielt der Luxus, dann kamen Franken und Goten und -wie auch beim Kolosseum in Rom- das Bauwerk diente dem Volk Jahrhunderte lang als Steinbruch für Baumaterial. Weitere 600 Jahre später diente die baufällige Brücke als Fahrbahn für Tiere und Karren, die zum Markt wollten.
Es dauerte noch einmal 600 Jahre, bis das Bauwerk als schützenswert erkannt wurde und erste Renovierungsarbeiten stattfanden. 1844 überlegte man, das Ding wieder als Wasserleitung zu benutzen aber der Wiederaufbau war absurd zu teuer.
Noch kurz vor dem 2. Weltkrieg war die Pont du Gard eine vielbefahrene Straße. Mittlerweile überquerten Automobile den Fluss und das uralte Bauwerk zerbröselte unter dem Verkehr. 1985 nahm man das römische Aquädukt ins UNESCO-Weltkulturerbe auf. Nun hat der Pont du Gard endlich die Bedeutung, die ihm zusteht!
Als wir genug gesehen haben, latschen wir zum Parkplatz zurück. Um eine 2,-Münze entlocken wir dem Automaten neben dem Besucherzentrum noch ein eiskaltes Cola. Boah, wir sind so verschwitzt! Dann fahren wir noch genau fünf Minuten zu unserer Unterkunft. Um 18:30 Uhr haben wir es geschafft!
Dass dieses Quartier letztendlich die "Goldene Himbeere" dieser Reise erhalten wird, können wir noch nicht wissen. Aber die nächtlichen 9.570 Schritte für sieben Kilometer ins Dorf, um einen Gute-Nacht-Pastis zu genießen, waren eine sportliche Leistung!
Tageskilometer: 182 km
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PS.: Wie hat Svenja diesen Tag erlebt? Lies hier nach: Enduroreisen