So schön
Moin, Moin
France, je t'aime.
Diese urigen Städte und Dörfer, ich liebe sie. Und das ist wohl echt überall so. Die Village Fleuri fand ich auch total süß. Und klar, dass die französischen Herrn sich nach Angelika umdrehen
Meine Güte, haben wir tief und fest geschlafen! Wir sind ganz verwirrt, als der Wecker losplärrt und brauchen einen Moment, bis wir wissen, wo wir sind. Didi springt ansatzlos aus dem Bett und zieht die schweren Vorhänge zur Seite. Die Sonne scheint! Blitzblauer Himmel über Lörrach!
Wir raffen schnell unsere Sachen zusammen und packen auch die Regenkombis ein, die - so wie auch Handschuhe, Buffs und Stiefel - von der Heizung getrocknet wurden, die immer noch auf Volllast läuft. Großartig! Das Zeug werden wir hoffentlich nicht mehr brauchen.
Im Frühstücksraum wird ein großartiges Frühstück angeboten. Corona-korrekt gibt es kein Buffet aber die netten Damen karren alles heran, was der hungrige Gast sich wünscht. Wir langen kräftig zu und vertilgen die Köstlichkeiten bis auf den letzten Krümel. Bei sonnigen 20°C holen wir die Motorräder aus der Tiefgarage und sind um 10:15 abfahrtsbereit. Wir haben uns den Weg Richtung Frankreich auf Googlemaps zurechtgelegt, da unsere Karte wenig aussagekräftig ist.
Leider geht unser schöner Plan ziemlich schnell schief! Die Straße nach Weil am Rhein ist gesperrt und Umleitungsschilder gibt es nicht. Eine der wenigen Situationen, in denen ein Navi hilfreich wäre... Wir schwitzen in unsere Jacken, während wir uns verfahren. Zum Teufel, wo gehts da nach Frankreich! Nachdem wir plötzlich in Deutschland (wieder) eingereist sind und auch kurz in Basel waren, bittet Didi zwei Polizisten um Hilfe. Die netten Eidgenossen lotsen uns dann auf winzigen Schleichwegen zur Grenze. Geschafft!
Ganz langsam rollen wir über die Palmrain-Brücke und passieren das Grenzschild, das genau in der Mitte der Brücke aufgestellt ist. Noch ein schneller Blick über den Rhein und wir sind in Frankreich! Grenzkontrolle gibt es keine. Die Wachhäuschen sind an diesem Montag verwaist.
Die D105 führt als hübsche Bundesstraße durch einige kleine Dörfer. Das Land ist flach und es dürfte hier sehr lange nicht geregnet haben. Die gelbgrünen Wiesen könnten dringend Wasser brauchen! Die Straße führt uns schnurgerade tiefer in den Elsass hinein. Obwohl diese Region seit fünf Jahren "Grand Est" heißt, fühlt sich die alte Bezeichnung für uns vertrauter an.
Bei Hésingue wechseln wir auf die D419, gemäß Svenjas Empfehlung, sich an die "D-Straßen" zu halten. Die Departement-Straßen entsprechen (meist!) unseren Bundesstraßen. Manchmal sind sie viel kleiner. Nur selten werden wir eine Schnellstraße mit Autobahncharakter erwischen, die auch ein D im Namen trägt.
Nun geht es übers weite Land! Sanfte Hügel bergauf und bergab und gemächliche Kurven führen uns durch hübsche Dörfer mit wunderbaren Häusern im Fachwerk-Stil. Es ist schön hier und wir genießen das gemütliche Dahinrollen! Frankreich hat vor zwei Jahren die Geschwindigkeit auf Landesstraßen auf 80 km/h begrenzt und - auch wenn die Aufregung in der Knieschleifer-Fraktion groß war - uns gefällt das. Das war bei den letzten drei Skandinavientouren unser Tempo. Das ist unser Tempo, wenn wir schauen und genießen und fotografieren und filmen wollen. Nennt uns Blümchenpflücker, aber das ist nunmal unser Ding! (>> Clip)
Begeistert kurven wir jetzt durch bezaubernde Ortschaften, die allesamt dem "Nationalrat der blumengeschmückten Dörfer" angehören. Je nach Wettbewerbserfolg dürfen sie ihr Ortsschild mit dem Zusatzschild "Village Fleuri" schmücken. Über 12.000 Dörfer haben in den letzten 60 Jahren mitgemacht und den Erfolg sehen wir heute! Viele tragen als höchste Auszeichnung vier Blumen auf der Plakette und die Orte sind blumenbunt, sauber und lieblich anzusehen.
Nach einem kurzen Tankstopp in Altkirch (Frankreich ist Tankautomaten-Land!) geht es weiter zwischen unendlichen Feldern von Sonnenblumen, die mit ihren schwarzvertrockneten Köpfen bereits unbeirrbar in Richtung Sonnenaufgang starren. Bald ist Erntezeit! Uns fallen die vielen kleinen und großen Greifvögel auf, die auf Beute spähend auf Zaunpfählen sitzen oder motiviert über unseren Köpfen kreisen. Dieses für uns ungewöhnliche Bild wird uns die nächsten Tage begleiten.
Bei einer kurzen Pause treffen wir einen deutschen Alleinbiker in schickem Touratech, der Kaffee trinkend an seiner schweren BMW lehnt. Er grüßt freundlich zu uns rüber, will aber offensichtlich alleine seine Kreise ziehen. Uns ist das soeben ganz recht und wir genießen die Ruhe in dieser Gegend.
Etwa 80 km sind wir jetzt gefahren und da vorne ist Belfort! Ohne abzusteigen diskutieren wir einen kurzen Aufenthalt, denn die Zitadelle auf dem Hügel schaut zu großartig aus! Aber heute ist so ein tolles Wetter und das Fahren macht uns soviel Spaß, dass wir weiter wollen. Leider hat die Zitadelle einen Hauch zu lange unseren Blick gefesselt und mitten in Belfort verlieren wir unseren Weg.
Mit Glück und Bauchgefühl finden wir auf die N19, die uns weiter in den Nordwesten führt. Die schmale Nationalstraße geht oft schnurgerade dahin und uns fällt auf, dass hier am westlichen Rand der Vogesen die Dörfer einfacher und schmuckloser werden. Die Nähe der hohen Berge erahnt man in diesem flachen Land nicht! Ein Anblick überrascht uns allerdings so sehr, dass wir abrupt am Straßenrand halten:
Ein Hausboot fährt mit uns auf Augenhöhe, neben der Straße! Das kam jetzt unerwartet. Wir schauen mal genauer und schon winkt uns der Fährmann herzlich zu. Erst später werden wir lesen, dass hier einer der zahlreichen Zuflüsse zum legendären Burgund-Kanal verläuft! Die Welt der Hausboote und Wasserurlauber ist uns völlig fremd. Doch wir sind hier in der "Ebene der 1000 Seen", die auch "Petite Finlande" genannt wird. Bäche, Teiche und Seen, wohin das Auge blickt!
Nach einiger Zeit durchqueren wir überraschend einen finsteren Ort. Die Sonne versteckt sich hinter hohen Wolkenbergen und verstärkt den rätselhaften Eindruck. Luxeuil-les-Bains liegt an der D64 und wir fahren spontan durchs Ortszentrum, statt auf der schnellen Umfahrungsstraße rundherum. Wir rollen auf uraltem Kopfsteinpflaster langsam an hohen und dunklen Häusern vorbei. Manche der düsteren Gebäude wie das "Musée de la Tour des Échevins" könnten Hauptdarsteller in guten Thrillern sein! Finden wir diese massiven Gebäude mit ihren Dekorationen schön? Das bleibt unsicher.
Auf der wunderschönen D417 bollern wir nun gemütlich durch die Freigrafschaft Burgund. Uns gefällt dieser Name, er hat so etwas Historisches! Nicht minder historisch sind die Orte, durch die wir kommen. Wir sind verblüfft! Ein uraltes Steinhaus reiht sich an das nächste, keines ist modern verputzt. (Bis auf das Rathaus jeder noch so winzigen Gemeinde: Die "Mairie" ist immer erkennbar an hübscher Fassade, Blumenschmuck und Trikolore!)
Wir sehen archaische Steinmauern um Gehöfte oder Siedlungen, hochbetagte Flurkreuze stehen an der Straße. Die Heiligenfiguren sind kaum noch erkennbar.
Die Dörfer wie Châtillon-sur-Saône oder Fresnes-sur-Apance, das mit der Bezeichung "Renaissance-Dorf" stolz auf seine 500 Jahre alte Geschichte hinweist, wirken wie aus der Zeit gefallen. Heute montags sind sie ausgestorben, die zerbrochenen Gehsteige menschenleer. Die kleinen Geschäfte wirken aufgelassen und viele der steinalten Häuser sind teilweise verfallen. In manchen Ruinen holt sich die Natur den Platz zurück. Wir halten oft am Straßenrand und machen Fotos des unaufgehaltenen Verfalls.
Wir reisen heute auf Svenjas Spuren auf der D417 "Route de Bourbonne" und als wir in Bourbonne-les-Bains eintreffen, kommt uns der Hauptplatz schon bekannt vor. Wir sehen die von Fotos bekannte Brasserie "Le Regina" und stellen vergnügt unsere Hondas auf den kleinen Parkplatz. Wir platzieren uns zufrieden auf die winzigen Sessel am Gehsteig und Angelika entert das Lokal.
In der Ecke plärrt ein übergroßer Fernseher und eine Runde betagter Herren mit Schiebermützen und Anzügen, die schon bessere Zeiten sahen, verfolgt stehend das Trabrennen, das gerade dem Zieleinlauf zusteuert. Auf den locker im Raum verteilten Resopaltischchen finden sich einige Gläser Pastis in verschiedenen Stadien des "Louche" und Knabbergebäck. An der kleinen Theke lehnt eine ambitioniert blondierte Wirtin, die "hart aber herzlich" die strenge Aufsicht über das Lotteriegeschäft, das Alkoholische sowie das Fernsehprogramm führt.
Als Angelika schüchtern das Lokal betritt, erntet sie ein vielstimmiges "Oh lá lá!" aus zahnlosen Mündern, bevor ihr Regina zu Hilfe eilt und die Freunde der Sportwetten zur Ordnung ruft. Mit einem Französisch, das nur äußerst Wohlgesonnene als verständlich bezeichnen würden, bestellt Angelika zwei große schaumige Milchkaffees. Ein Bedauernswerter versucht zwischen zwei Gläsern Pastis, mit ihr ins Gespräch zu kommen, aber die Chefin tätschelt ihm die Wange und tröstet ihn jovial über die vergebliche Kontaktaufnahme hinweg.
Wir sitzen eine Zeit lang vor dem Lokal und lassen die Szenerie aus verfallenden Fassaden und buntem Blumenschmuck auf uns wirken. Man sieht der winzigen Stadt ihren ehemaligen Reichtum aus jahrhundertelang gut besuchten römischen Thermen auch heute noch an. Dass der Ort aber immer noch vom Thermentourismus lebt, können wir auf den ersten Blick nicht erkennen. Auf den zweiten allerdings auch nicht.
Etwas später nehmen wir die letzten 50 km in Angriff. Über eine weitläufige Hochebene - das Plateau von Langres im Quellgebiet der Maas - geht es schnurgerade dahin, bis wir den vorab recherchierten Abzweiger auf die D14/D35 finden. Eigentlich wollten wir in Svenjas geliebten Camp Hautoreille in Langres übernachten, aber die vermieten ihre Hütten nicht für eine Nacht. Also auf nach Longeau, ganz in der Nähe!
Die Straße ist nun ein enger und ziemlich abgewrackter Single-Track, der sich über Hügel und durch Täler mitten durch uralte Dörfer und an unendlichen Weiden vorbei dahinschlängelt. Was für eine einsame Gegend! Gäbe es nicht große Herden von weißen Kühen, die uns mit ihren Kulleraugen erstaunt beobachten, wir wären die einzigen Lebewesen auf unserem Planeten!
Plesnoy, Chelsoy, Torcenay. Die Anblicke ähneln sich, während wir im Schritttempo an verfallenden hochbetagten Steinhäusern vorbeirollen. In Chalindrey geht es plötzlich einige rabiate Serpentinen hinauf und schon stehen wir auf einem hohen Hügel mit fantastischer Aussicht über die Landschaft des Bassigny!
Hier versteckt sich mitten im Wald eine Festung, die den klangvollen Namen "Burg des Vercingetorix" trägt. Das hatte uns neugierig gemacht!
Doch außer ein paar Mauern im Wald und Zugänge zu unterirdischen Bunkern gibt es im Fort du Cognelot von außen nicht viel zu sehen. Heute ist wegen "Covid" alles abgesperrt und vereinsamt. Außerdem wären Besuche nur am Wochenende möglich, dann herrscht in den besterhaltenen Mauern viel Betrieb. Es wird aufgekocht, gefeiert und Party gemacht!
INFOBOX
Aber was hat der berühmte Gallier damit zu tun? Nun, der Arvernerfürst wuchs vor 2.100 Jahren hier in der Gegend auf und ihm zu Ehren wurde das vor etwa 150 Jahren erbaute Fort nach ihm benannt. Er hatte in der Schlacht von Gergovia immerhin Julius Cäsar besiegt und alle gallischen Stämme geeint. Fragt nach bei Methusalix!
Uns reicht es jetzt für heute. Die Sonne ist seit dem Nachmittag hinter Wolkenbergen verschwunden und es wird trüb und ungemütlich. Die letzten 12 km nehmen wir auf winzigen Straßen den Hügel bergab und rund um den See "Lac de la Vingeanne". Um 18:00 treffen wir auf unserem Campingplatz ein.
Das Einchecken geht gewohnt schnell und wir bestellen für morgen früh noch Croissants und süße Teilchen beim Bäckerservice. Dann rollen wir zu unserer Hütte mit Seeblick, bauen die Transalps davor auf und richten uns gemütlich ein. Es ist so ruhig hier! Die Sommergäste sind längst abgereist und der Platz ist bis auf drei Hütten verwaist.
Es ist kalt geworden, als wir einen Teller leckeres Travellunch "Pasta Bolognese" löffeln und noch lange bei Kaffee und Keksen auf der kleinen Terrasse sitzen. Die jugendlichen Mopedisten, die mit ihren kreischenden Zweitaktern um Mitternacht den Strand unsicher machten, sind - zum Glück! - bald verschwunden. Gute Nacht, Frankreich!
Tageskilometer: 260 km
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Moin, Moin
France, je t'aime.
Diese urigen Städte und Dörfer, ich liebe sie. Und das ist wohl echt überall so. Die Village Fleuri fand ich auch total süß. Und klar, dass die französischen Herrn sich nach Angelika umdrehen
Danke für das liebe Kompliment! :-)
Wir fanden diese Gegend so hübsch und es war schön, durch diese extrem gepflegten Dörfer zu rollen. Die nehmen den Wettbewerb richtig ernst! ;-)
LG Geli
Hallo ihr beiden!
Ich lese immer mit und uch freue mich, dass es euch in meiner zweiten Heimat so gut gefällt!
Herzliche Grüße
Tim
Ja, es war wunderschön an so vielen Orten in Frankreich! Danke fürs Mitlesen!
Liebe Grüße
Geli
Die Villages Fleuris sind wirklich eine schöne Idee der Franzosen. Es macht Freude, durch die von Blumen geschmückten Dörfer zu fahren. Und was sehe ich da? Die Brasserie kenne ich doch. Da gab es eine Zitronentarte für Pieps. Aber dass die Einheimischen so zutraulich sein können, das habe ich damals nicht geahnt. Es liegt sicher an deinen schönen blonden Haaren und dem hübschen jungen Gesicht.
Dass es am ersten Abend in Frankreich Pasta Bolognese gibt, das ist schon tapfer. Ihr habt also im Supermarkt allen Versuchungen der französischen Küche widerstanden, Entrecôte, gerächerte Entenbrust, Ziegenkäse und all den kleinen Leckereien? :-)
Ach, ihr Lieben, ich bin gespannt, wie es weitergeht. Wird das Wetter halten? Werden die Strecken und die Besichtigungen schön sein? Die Unterkunft, das Essen, die Menschen? Ich fiebere mit.
Weiterhin gute Reise.
Liebe Grüße
Svenja
Oh danke für das süße Kompliment! :-) Aber auch wenn man zu Beginn einer Tour noch nicht so verwahrlost aussieht wie 3 Wochen später... ich hatte nicht den Eindruck, als wären die Herren besonders wählerisch gewesen. Der Pastis, du weißt...?
Ja, wenn ich so nachdenke, Supermärkte war nicht oft. Wir ließen lieber in Restaurants für uns kochen oder leckeres (!) Travellunch. :-)
Ich schätze, du wirst einige Plätze wiedererkennen. Wir haben nämlich für diese Reise ganz ungeniert bei dir "Honig gesaugt". :-)))
Drück dich
Geli
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