Ein Scheck aus Washington

Im Sommer 2012, im Jahr der "Griechenland-Krise" hatten wir einige Tage ein Quartier auf Lefkada. Eines lauen Sommerabends besuchten wir wieder unser Lieblings-Straßencafé, als uns ein greiser Herr würdevoll zu seinem Tisch bat. Es war heiß, wir waren müde und wir kamen der höflichen Bitte gerne nach.

Der 83jährige Grieche trug einen dunklen Anzug, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, was seiner eleganten Erscheinung keinen Abbruch tat. Er sprach fließend Englisch und so entspann sich ein unglaubliches Gespräch, als er uns seine Lebensgeschichte erzählte.

Vor etwa 60 Jahren war die Insel wirtschaftlich am Boden, es gab in den "Steinernen Jahren" Anfang der 50er Jahre kaum Einkommensmöglichkeiten. Er hatte Automechaniker gelernt und hoffte im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" auf ebendiese. So wanderte er in die USA aus und bekam eine schwere aber gute Arbeit in der Nähe von Washington.

Als es daran war, sich eine Frau zu suchen, beauftragte er traditionsbewusst seine daheim gebliebenen Freunde mit der Suche. Denn eine Hochzeit musste zuhause sein! Mit einer Frau von der Insel! Das Unterfangen war erfolgreich und er feierte "A big fat Greek wedding" mit dem unbekannten Mädchen, das dann seine große Liebe wurde. Sie lebten bis zu seiner Pensionierung in den USA. Ein Sohn lernte dort Bootsbauer und arbeitete dann in Österreich, im Linzer Hafen!

Am ersten Tag seiner Pensionierung kam er nachhause, nach Lefkada. Nun ist er alt und müde. Seine Frau lebt nicht mehr aber sein ganzer Stolz ist sein Sohn in Österreich ... und der monatliche Scheck aus Washington! Er zog zerknülltes Papier aus seiner Brusttasche und zeigte uns den Scheck. "Nun bin ich einer der reichsten Männer hier im Dorf", sagte er nachdenklich und zahlte elegant unseren Kaffee.

Und dann erzählte er uns vom Heimweh, das ihn ein Arbeitsleben lang gequält hat und dass er seinen Koffer in USA nie ausgepackt, den Kleiderkasten nie eingeräumt hat. Als Symbol, dass er irgendwann nach Lefkada zurückkehren wird. "Jetzt ziehen die Jungen wieder weg. Sie wissen noch nicht, was das bedeutet...", sagte er mit leiser Stimme.

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zuletzt aktualisiert am 13.11.2024