Was für ein göttlicher, unübertroffener Morgen! Wir wachen ohne Wecker um 10:00 auf und schälen uns aus der fluffigen Bettwäsche, die hier im Hüttenpreis inbegriffen ist. Wir müssen das Licht einschalten, denn es ist ziemlich düster draußen. Sofort erstrahlt der mit Holz getäfelte Raum in honigfarbenem Licht.
Wir rühren ein Häferl Kaffee an und schauen mal hinaus. Draußen nieselt es kräftig. Die Wolken hängen tief über dem Kvænangenfjord, es hat nur 4°C. Wir beglückwünschen uns zur spontanen Entscheidung, heute hierzubleiben und an diesem ersten Sonntag im Juni Pause zu machen.
Gestern spät nachts kam noch eine Bikergruppe auf den Platz. Sie wurden im strömenden Regen weggeschickt, denn die zweite Hütte war auch schon belegt. Später wird uns die Chefin vom Campingplatz erzählen, dass derzeit viele Zeltcamper in Nordnorwegen spontan lieber Hütten buchen und das Zelt eingepackt lassen!
In den Tankrucksäcken müssten doch noch Kekse sein? Wir finden eine angebrochene Packung unserer Lieblingskekse und noch weitere Kleinigkeiten. Mit zwei Packerl Travellunch müssten wir doch heute genug haben, so dass wir gar nicht raus müssen? Wir wissen, dass im 6 km entfernten Burfjord eine kleine Tankstelle mit Shop ist. Aber lieber würden wir einfach hierbleiben und uns schmeckt das Outdoor-Essen!
Wir schlüpfen in unsere kuschelig-warme Merino-Unterwäsche plus dicke Socken und fläzen uns in die Sofasessel vorm Panoramafenster. Draussen regnet es, aber wir haben große Becher mit heißer Schokolade. Das ist der Moment, an dem wir entdecken, was "Hygge" bedeutet! Kennt man aus Reiseerzählungen und Büchern, aber jetzt können wir die Entschleunigung fast körperlich spüren!
Nur aus Neugier probieren wir den TV mit den vielen Apps, der hier neuerdings steht. Ob Netflix geht? Ja, geht! Aber dazu fehlt uns die Lust. Das ist etwas für zuhause. Hier schauen wir lieber aus dem großen Fenster und hängen unseren Gedanken nach.
Später nutzen wir eine kurze Regenpause, um ´rüber in die Rezeption zu laufen und die zusätzliche Nacht zu bezahlen. Es ergibt sich ein nettes Gespräch mit der Campingplatz-Chefin. Lin erzählt ein wenig aus ihrem Leben in der Vier-Personen-Gemeinde Storeng.
Sie schildert die Schwierigkeiten mit dem Elektriker, der auf Grund seiner Alleinstellung hier im Nirgendwo wählerisch bei seinen Kunden sein kann. (Und dass sie deswegen noch keine Zeltcamper empfangen kann, weil die neuen Gemeinschaftsduschen noch nicht funktionieren.)
Die sympathische Lin erzählt auch von traumhaften arktischen Wintern hier, von kristallklarer Luft und schwarzblauem Himmel über glitzerndem Schnee. Wie sie als gebürtige Südnorwegerin diese Region erst lieben lernen musste, nachdem Fred beim Kennenlernen gestand, wo sein Zuhause ist. "And then he tricked me moving in the arctic", grinst sie schelmisch. Wir beschließen, das nächste Mal im Winter herzukommen!
Wieder in unserer hyggeligen Hütte widmen wir uns den Filmchen aus der Helmkamera und den vielen Fotos, die wir bis hierher geknipst haben. Heute ist auch Zeit für eine Haarpackung und die eine Gesichtsmaske, mit der Angelika das bei jeder Motorradtour drohende kosmetische Malheur hinanthalten will. Meine Güte, es ist so gemütlich hier!
Wir setzen eine kleine Facebook-Meldung ab, sind doch derzeit einige unserer Leser unterwegs zum Nordkapp. Vielleicht interessiert die ein kurzer Live-Bericht aus dem Bezirk Troms?
"An alle, die gerade in NOR unterwegs sind: versichert euch, dass das Sennalandet nicht zwischen Leirbotnvatn-Skaidi wegen Schnee gesperrt ist. Wir hatten heute großes Glück.
Ratsam ist derzeit, eine Unterkunft vorzubuchen. Hier am Altafjord wurden 5 Biker weggeschickt... und das bei Starkregen und 4°C. Derzeit suchen auch viele Zeltcamper feste Unterkünfte! Ride safe!"
Nach einem stärkenden Mousse au Chocolat machen wir einen kleinen Rundgang. Es hat fast zu regnen aufgehört und sogar die Sonne kommt heraus, als wir den 800 m langen Schotterweg zur E6 entlang stiefeln und den winzigen Friedhof von Storeng entdecken. Viele Gräber sind liebevoll mit bunten Blumen geschmückt, die tapfer dem Wetter trotzen.
Natürlich spazieren wir wie 2017 auch zur Wasserkante des Fjords. Weit draussen hofft ein Fischer auf sein Glück und hoch über uns versucht ein Seeadler, im Flug einem kleineren Vogel die Beute abzujagen. Bald wird uns in der kühlen Brise vom Jøkelfjord-Gletscher kalt. Immer noch 4°C!
Nachdem wir leckeren Jägertopf mit Nudeln gelöffelt haben, widmen wir uns der Landkarte und Googlemaps. Wir müssen die morgige Strecke ausklabüsern, denn den ursprünglich geplanten Track können wir nicht aufrecht erhalten. Bei etwa 600 km Mistwetter zählt jede kleine Fähre, jeder Umweg, jede Bergstrecke, jede gefahrene Fjordumrundung.
Mit einem Leuchtstift malen wir die neue Route in die Karte. Wir wissen nun, dass wir die Inseln Andørja und Rolla überqueren müssen. Zu Mittag sollten wir in Sørrollnes sein, um die Fähre auf die Lofoten zu erreichen. Die Überfahrt dauert lange und die nächste Abfahrt ist viel zu spät, um noch 180 km nach Svolvaer zu schaffen.
Wie schnell müssen wir fahren? Ob am Kvænangenfjellet noch Schnee liegt? Vielleicht können wir da nur langsam drüber? Wie wird das alles bei Sauwetter? Werden wir diesen Fahrtag genießen können?
Diese Gedanken beschäftigen uns, als wir unser Zeug zusammenpacken, nochmals fett Imprägnierspray auf die Stiefel sprühen, den Wecker auf 3:00 stellen und früh schlafen gehen.
Morgen gehts auf die Lofoten!
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