15. Tag: Svolvær - Å i Lofoten - Hurtigruten

Gleich nach dem Aufstehen eilen wir auf die Dachterrasse und schauen nach dem Wetter. Wir erschrecken trotz der milden 12°C. Undurchdringlich dichter Nebel liegt über Svolvær! Wir trinken unseren Morgenkaffee hoch über dem Hafen und beobachten die geisterhaften Schemen, die im Nebel sichtbar sind.

Wir trödeln ziemlich herum, denn heute haben wir viel Zeit. Unser Date mit den Hurtigruten ist erst spät abends. Um 9:45 verlassen wir das schöne Quartier und tuckern aus der Stadt. Schon nach wenigen Metern geraten wir nach drei Jahren in unsere erste norwegische Polizeikontrolle.

Die freundlich-korrekten Beamten fahnden nach Alko-Lenkern und lassen auch uns "ins Röhrchen blasen". Das Display zeigt selbstverständliche 0,0 ‰. Was anderes kommt für uns auf dem Motorrad zu keinem Zeitpunkt und unter gar keinen Umständen in Frage!

Die entzückenden Mädchen an der Rezeption haben uns ein paar highlights notiert, die wir besuchen sollen. So bleiben wir erstmal auf der schmalen E10 Richtung Süden. Unser Ziel ist das südliche Ende der Insel Austvågøya, auf der Svolvær liegt.

Der Lofot ist eine Inselgruppe mit etwa 80 kleinen und größeren Eilanden, so ist es nicht verwunderlich, dass viele Brücken, Dämme und Tunnels auf uns warten! Die schmale Straße kurvt gemächlich in Strandnähe des Vestfjords dahin. Immer wieder ergeben sich fantastische Ausblicke! Die Sonne kommt heraus und es scheint ein warmer Tag zu werden.

In Kabelvåg denken wir an Judith, die hier wohnt. Jeder Hurtigruten-Gast kennt sie, wenn er in Svolvær die abendliche Speisekarte liest. Judith bleibt nur ein kleines Zeitfenster im Spätfrühling, um im Wald von Kabelvåg Birkenschösslinge per Hand zu schneiden und die Schösslinge in Meerwasser auszuwaschen. Nur eine Prise davon verleiht dem Stockfisch den Geschmack der Lofoten! Diese Spezialität wurde uns an Bord serviert. War gut, aber so richtig lecker ist Tørrfisk nicht...

Linker Hand erkennen wir die beeindruckende Lofotenkathedrale. Seit 900 Jahren steht hier eine Kirche, in der die Lofotenfischer Kraft für ihren harten Job sammeln können. Dieser wichtige Sakralbau ist bereits weit draußen auf dem Meer erkennbar und so bekam Kabelvåg von den Fischern seinen Namen: Kapellenbucht. Aahh, wir mögen solche Geschichten!

Die Straße schlängelt sich zwischen hohen Bergrücken dahin und gibt nur selten den Blick aufs Meer frei. Nach 16 km biegen wir scharf links ab und nehmen den Fv816. Noch 9 km bis Henningsvær! Mittlerweile ist der Himmel blitzblau und nahezu wolkenlos und wir haben Sonnenschein bei etwa 15°C.

Die Gegend ändert sich schlagartig. Sämtliches Grün ist verschwunden. Wir kurven aufmerksam an felsigen Buchten vorbei und unter Felsblöcken durch, die sich bis ins Wasser des Vestfjords ziehen. Meine Güte, ist das ein sensationeller Anblick! Diese Farben Norwegens berühren uns immer wieder...

Wir kommen an einem weißen Sandstrand vorbei. Einige Menschen baden im Wasser des Vestfjords im Sonnenschein bei 14°C! In den wenigen bewachsenen Kuhlen zwischen den Steinplatten brechen Wildcamper gerade ihre Zelte ab. Einige Jugendliche stapfen mit schweren Rucksäcken bereits die Straße entlang.

Auch die winzigsten Schären in diesem Inselwirrwarr tragen Namen! Wir queren eine flache Brücke, einen Damm und eine ampelgeregelte hohe Brücke über die Inseln Engøya, Sauøya und Hanekammen, bevor wir durch Henningsvær tuckern. Hier stinkt es!

Schwer liegt der Geruch von Trockenfisch in der Luft. Überall sehen wir die meterhohen Holzgestelle, auf denen abertausende Fische zum berühmten Tørrfisk vertrocknen. Ertragreiche Laichgründe haben diesen Fischerort schon vor langer Zeit reich gemacht. Wir sehen unzählige Cafés, Galerien und Geschäfte, als wir die einzige Straße durch den Ort rollen.

Wir halten auf der kleinen Brücke, die über den Hafen führt. Was für ein Anblick! Dicht an dicht drängen sich die bunten Häuschen an der Mole und malerisch schaukeln kleine Boote im dunkelblauen Wasser. Kein Wunder, dass dieser Ort eine Touristenattraktion ist! Wir fühlen uns an Burano bei Venedig erinnert. Tatsächlich nennt man diese 500-Seelen-Gemeinde auch das "Venedig des Nordens".

Nach einigen Fotos reißen wir uns los und cruisen die spektakuläre Küstenstraße Fv816 wieder zurück. Die Mädchen im Hostel haben uns von den weißen Sandstränden erzählt, an denen sie gerne ihre freien Tage verbringen. Da schauen wir mal! Wir umrunden die Halbinsel Kvalnes auf dem Fv835.

Der Single Track führt an einer hohen Bergflanke entlang und rechts erstreckt sich fruchtbares Land. Und Sandstrände! Was für ein ungewöhnlicher Anblick!

Die Strände sind heute menschenleer und nicht etwa wegen der Temperatur. Es hat 15°C und die Nordlichter brauchen weit weniger für ausgelassene Badetage am Meer! Aber heute ist Mittwoch, wahrscheinlich auch hier ein normaler Werktag.

18 km später haben wir den kleinen "Umweg" beendet und sind wieder auf der E10, der kleinen Straße quer über den Lofot. Uns ist nach Kaffee und in unserem Plan ist ein kleiner Bauernhof eingezeichnet, der seine Ware "ab Hof" verkauft und auch ein Café führt. Nichts wie hin!

Die Straße führt nun über weites und von unzähligen Seen durchzogenes Land. Wir überqueren Brücken, Dämme und immer wieder reicht der Blick bis zum Horizont, wenn die Berge die Aussicht auf große Fjorde freigeben. Ab und zu stinkt es. Das untrügliche Zeichen dafür, dass nach der nächsten Kurve wieder ein massives Trockengestell mit totem Kabeljau in der Sonne steht.

Schmunzelnd nehmen wir zur Kenntnis, nun den "Vikingveien" entlang zu cruisen. Ob die Wikingerstraße ihren klangvollen Namen vom Lofotr Vikingmuseum hat, das da vorne linker Hand auf der Anhöhe steht? Das dunkelhölzerne Langhaus blickt drohend auf uns herab.

Vor 1.300 Jahren war das Original von einem gewissen Olaf Tvennumbruni bewohnt. Dieser mächtige Häuptling der Borg war es, der seinem Stammesgebiet den Namen Lofot schenkte. Außerdem konnte er sich bei Gelegenheit in verschiedene Tiere verwandeln. Der frühe Gestaltwandler bewohnte mit seinen Leuten das größte Langhaus der Welt, das hier in den 1980ern ausgegraben wurde.

Wir biegen scharf rechts ab und sofort verliert sich das Sträßchen in der einsamen Umgebung. Wir kurven bergauf und bergab und durch einen unheimlichen engen Tunnel. Kaum blendet uns der Sonnenschein am Tunnelausgang, blicken wir in ein Tal, das sich gegen den Horizont öffnet. Typisch landwirtschaftliches Gebiet.

Noch ein paar Meter und eine Kurve bergauf und schon stehen wir vor dem gesuchten Farmcafé. Eine vorwitzige Herde Babyschafe stakst umher und zeigt vor uns keinerlei Scheu. Die Terrasse der Gårdbutikk mit den hübschen Sitzmöbeln bietet einen fantastischen Ausblick.

Es gibt nur ein Problem: das Café ist geschlossen. Verdammt! Wir haben uns wirklich darauf gefreut und eigentlich sollte jetzt offen sein. Hier ist aber niemand und nach einer kurzen Pause düsen wir zurück zur E10.

Wir halten uns nun auf der E10 Richtung Leknes. Es geht über hübsches aber unspektakuläres Land. Wir brauchen langsam Benzin und Kaffee, vielleicht finden wir in Leknes etwas? Die großen Tankstellen haben heute alle geschossen, aber bei einer ziemlich verrunzelten Automatentankstelle füllen wir die Transalps randvoll mit 95 Blyfri.

Hier bemerken wir auch, dass Angelikas Transalp es nun diskret und vor allem unsichtbar liebt: Einige Lichter sind ausgefallen, so auch Brems- und Blinklicht. Aber das ist uns jetzt egal. Sie hält es ab jetzt wie die Radfahrer und gibt Handsignale für etwaige Richtungswechsel. Wir kümmern uns abends darum!

Über flaches Land geht es, das von unzähligen winzigen Seen und Tümpeln durchbrochen ist. Hohe Berge rahmen die Tiefebene ein und wir cruisen über zahlreiche schmale Dämme. Es ist warm geworden und bei 17°C schwitzen wir ziemlich in unsere Merino-Wäsche!

Bei Napp erwartet uns eine Überraschung. Ein 2 km langer Unterwassertunnel verbindet die Inseln Vestvagøya und Flakstadøya. Aber er ist gut beleuchtet und gut zu fahren - keine besondere Schwierigkeit! Nicht zu vergleichen mit dem Ding in Ibestad.

Richtung Ramberg stellen wir fest, dass die Straße schmäler und die Berge höher werden. Nun sind die Gipfel spitz und oben noch von Schnee bedeckt! Wir sehen viele Sandstrände von weißem, feinen Sand, der so gar nicht in diese rauhe Natur zu passen scheint.

Wir kurven aufmerksam Bucht um Bucht entlang und nicht nur einmal halten wir die Luft an: Erstens weil es hier so unfassbar schön ist und zweitens wegen des "Dufts des Lofot": Penetranter Fischgeruch, der sich im warmen Sonnenschein entfaltet und über das Land wabert. Die Trockengestelle für Kabeljau werden jetzt häufiger.

Bei einer kurzen Pause entdecken wir ein Paar verdorrte Stockfische, das jemand an einen Pfosten gehängt hat. Vielleicht von einem LKW gefallen? Angelika schaut sich das aus der Nähe an, denn sie fand in keinem Geschäft ein Stück dieser Spezialität. Ob sie diesen Fisch ihrer Freundin einfach mitnehmen könnte?

Doch aus der Nähe betrachtet schaut das ziemlich speziell aus. Angelika tippt vorsichtig drauf. Der kopflose Fisch fühlt sich steinhart an, mit einer Lederhaut. Dieses 80 cm-Monster ist ziemlich schwer! Außerdem stinkt es gewaltig! Da machen wir uns nirgends Freunde, wenn wir den außen auf die Gepäckrolle schnallen und bis Wien mitführen! Außerdem braucht die Freundin grad mal 200g für ein Rezept... nö nö nö, der Fisch bleibt da!

Bei Fredvang halten wir abrupt am Straßenrand. Rechter Hand überspannt eine spektakuläre Doppelbrücke die kleinen Fjorde. Wir erinnern uns, viele dieser dramatisch gekrümmten Zufahrten zu kleinen Inseln auf unserer Hurtigrutenfahrt gesehen zu haben. Dieser Anblick ist für uns so "typisch lofotisch"!

Wir finden es so toll, hier entlang zu fahren! Jetzt macht es sich bezahlt, in der Vorsaison hier zu sein. Es gibt kaum Verkehr und nur ganz selten sehen wir Autos oder ein einzelnes Wohnmobil! Heute ist der 5. Juni und wir ziehen alleine unsere Bahnen. Wir nehmen an, dass es in wenigen Wochen hier ganz anders zugehen wird...

Nun hat die Strecke erheblich an Eindruck zugelegt! Die Landschaft hier ist pittoresk! Dramatisch hohe Gipfel stehen an spiegelglatten Gewässern und die zahllosen Felseninseln werfen perfekte Spiegelbilder auf die glitzernde Oberfläche. Wir sind sprachlos!

Wir freuen uns auf die Überquerung der nächsten hohe Brücke. Wir lasen, dass ein Foto-Stopp am Scheitelpunkt der Hamnøya-Brücke empfohlen wird. Diese Ansicht ist auf vielen Postkarten von den Lofoten zu sehen, dort schneidet der Vestfjord tief ins Land.

Langsam nähern wir uns dieser Brücke. Die E10 ist hier ein schmaler Single Track, der sich eng an die Felshänge schmiegt. Rechter Hand die dunkelblaue Tiefe des Fjords. So geht es unzählige Kurven dahin und wir hängen unseren Gedanken nach.

Oh, Vollbremsung! Linker Hand erkennen wir bei Akkaviksodden einen bequemen Rastplatz mit Ausblick auf die Küstenlinie! Hier machen wir Pause. Wir bremsen die Transalps bei dem hübschen Holztisch und steigen ab. Wir bauen Kekse, Thermosflaschen und ein paar Stück Schokolade auf und schauen mal.

Hinter uns rauscht ein kleiner Wasserfall in den hübschen Vassdals-See, der sich in den Felsen gebildet hat. Vor uns breitet sich eine spektakuläre Küste aus, die wir hoffen, in Kürze entlang zu fahren. Doch, was ist das? Wir erkennen einen Schranken, der die Weiterfahrt versperrt!

Wir untersuchen das, während wir Schokolade mampfend rasten. Tatsächlich zwingt man hier den Verkehr in einen 1,5 km langen Tunnel. Verdammt! Wir sind doch wegen der Aussicht hier! Aber der kleine Küstenweg ist unpassierbar gemacht und irgendwie verstehen wir das auch.

Wir wissen von unzähligen Tunnelplänen und -projekten in Nordnorwegen. Kleine und große und vollkommen verrückte Projekte! Dieser Infrastrukturausbau kommt dem Land weit billiger als der Straßenerhalt an exponierten Stellen. (Wo ist es in Nordnorwegen eigentlich nicht exponiert?) Viele Tunnels sollen auch im strengsten Winter und bei Lawinengefahr die Orte erreichbar halten und so ist es auch hier.

Wir scheinen uns nun auf der großen Insel Moskenes zu befinden. So genau können wir das auf der Karte nicht erkennen, denn die Landschaft hier ist durch Fjorde, kleinere Seen und größere Weiher wie ein Netz zerrissen. Bei einem Blick in die Karte wird uns erneut bewusst, wie weit weg wir von zuhause sind, wie exotisch und fremdartig dieses Land am Außenrand Europas ist.

Und wie einsam. Es gibt so gut wie keinen Verkehr und wir genießen die Ruhe auf unserem schönen Rastplatz am Tunneleingang. Dann aber weiter! Wir haben heute noch nicht gefrühstückt und langsam wäre ein Kaffee wirklich prima!

Sofort nach dem Tunnelausgang wird es spektakulär! Die Insel Hamnøy ist durch einen Damm verbunden und das Kartenbild schaut aus, wie wenn dazu viele Mini-Inseln genutzt worden wären. Die Ansichten sind unglaublich! Wir kurven zwischen den Fjorden entlang, auf felsigen Straßen.

Viele rote Rorbuer kleben an steilen Felsen am Ufer und jeder freie Platz ist für Trockengestelle reserviert, auf denen Tonnen von Fisch hängen. Du meine Güte, es ist märchenhaft! Manche sprechen von "den schönsten 5 km der Welt!"

Wir stehen vor einer roten Ampel. Die Fotobrücke ist schmal einspurig und hoch gebogen. Grün. Los! Im Schritttempo tuckern wir hoch hinauf und bemühen uns, die Helmkameras auf den Reinefjord zu richten und alles in uns aufzusaugen! Stehenbleiben können wir nicht, denn ein kleines Auto kurvt unsicher hinter uns her. Wenn wir den zum Bremsen zwingen, dann rollt er rückwärts hinunter!

Was für ein Anblick! Das sind nun die Aussichten, die jeder vom Lofot kennt. Die dramatische Schönheit, wegen der abertausende Touristen hierher kommen! Warum hier Massentourismus entstanden ist! Nur nicht heute. Heute sind wir alleine da...

Wir springen nun von einer Mini-Insel zur nächsten: Brücke, Insel, Damm, Insel, Brücke, Insel. So geht es einige Kilometer dahin und wir achten kaum noch auf die Straße. Wir fahren extra langsam, um den Blick schweifen lassen zu können. Schau, da links ist ein Parkplatz!

Wir bremsen und lassen die Transalps gegenüber dem Städtchen Reine ausrollen. Die Busgesellschaft von "Polster & Pohl" läuft begeistert aber blind hin und her, immer ein Auge am Fotoapparat. Jeder versucht, das perfekte Foto zu knipsen. Mehrmals müssen wir die Leipziger warnen, damit sie uns nicht über den Haufen rennen! Was für eine Aufregung!

Doch deren Programm verlangt Zeitdisziplin und schnell klettern sie alle in den Bus und sind dahin. Jetzt haben wir Muße. Wir schauen hinüber auf Reine und machen das perfekte Foto! Wie die bunten Häuser nebeneinander an der Wasserkante kleben! Das windstille Wasser davor! Die schneebedeckten Bergspitzen! Es lockt uns gewaltig, gleich in den Ort hinüber zu fahren, aber das machen wir bei der Rückfahrt!

Wir fahren langsam die Küstenstraße weiter. Ein wenig fühlen wir das Ende der Welt, denn der Lofot ist hier sehr schmal und ragt in unzählige Inselchen zerrissen weit ins Europäische Nordmeer hinaus! Geradeaus liegt Grönland.

Es ist ein karges Land. Wir sahen schon lange kein Grün mehr! Wir tuckern schon lange durch eine felsige Landschaft, die nur vom Blau des Meeres und vom Rot der Häuser geschmückt wird. Es ist einsam hier und wir schauen aufmerksam, damit uns nichts entgeht, denn der "König Olaf Weg", die Küstenstraße gilt zurecht als eine der schönsten Europas.

Und ganz unvermittelt taucht das berühmte Ortsschild auf: Å. Ein einzelner Buchstabe markiert das südlichste Dorf des Lofot, Kultstätte für Norwegenreisende, Kultfoto unzähliger Touristen. Natürlich bleiben auch wir neben dem Schild stehen und machen jenes Foto, das bereits tausendfach im Internet zu sehen ist!

Noch schnell durch einen kurzen Tunnel und schon stehen wir am überdimensionierten Parkplatz. Nanu? Darf man nicht in den Ort fahren? Wir parken uns ein und sehen aus den Augenwinkeln: Polster & Pohl machen sich gerade auf zu einer kleinen Wanderung. Kaum haben wir das Visier hochgeklappt, werden wir unaufgefordert von einem deutschen Dämchen belagert, die nicht nur alles, sondern auch alles besser weiß:

Im Ort herrscht Fahrverbot. Außerdem sollen wir die Ruhe dort nicht stören. Auch die Vögel nicht! Motorräder passen einfach nicht dorthin. Es folgt eine Abhandlung lofotischer Geschichte, der wir nur mit halbem Ohr folgen.

Wir sehen das Schild für "Fußweg 500 m". Missmutig latschen wir schwitzend den verwachsenen Weg hinunter in den Ort Å i Lofoten. Es hat 18°C, die Sonne knallt vom Himmel und uns ist viel zu heiß für einen Wandertag! Außerdem stellen wir auf halbem Weg fest: Kein Fahrverbot, alles gut!

Keuchend stiefeln wir wieder bergauf, klettern auf die Transalps und bollern entschlossen in den Ort. Wir durchqueren rücksichtsvoll die winzige Ansammlung rot gestrichener Hütten und finden am Ortsende ein Restaurant. Es steht halb über dem Wasser. Nie sahen wir ein schmuckeres Lokal!

Meine Güte, was für ein Anblick! Das muss der schönste Platz der Welt sein! Die roten, uralten Hütten, das glitzernde Wasser, die weißen Gipfel und - natürlich - Dörrfischgestelle überall. Wir schauen auf die kleinen roten Häuschen, die auf dünnen Pfählen im Wasser stehen. Diese Rorbuer sind - so wie die meisten Häuser hier - etwa 150 Jahre alt und stehen an ihrem seit langem angestammten Platz.

Hier wollen wir bleiben! Wir parken die Motorräder platzsparend und diskret an einem rot gestrichenen Zaun und besetzen einen Tisch auf der Terrasse. Unter uns gluckst das Wasser des Vestfjords.

Während wir den leckeren Backfisch mampfen, erfahren wir, dass man in den unzähligen Rorbuer rund um uns auch übernachten kann! Die Hüttenmiete ist leistbar und eigentlich gar nicht so viel für so einen speziellen Platz am Ende der Welt! Ob wir das einmal machen?

Wir spazieren in dem Museumsdorf herum. Eigentlich wohnt hier kaum jemand, die alten Häuser werden heute hauptsächlich für den Tourismus genutzt. Nur sommers hat dieser Platz seine angestammte Funktion: Die Fisch-Industrie des Nachbarorts nutzt ihn als besonders guten Trockenplatz für Stockfisch!

Bevor wir zurückfahren, schauen wir noch kurz zum Tørrfisk-Museum. Leider hat es geschlossen, aber wir sahen schon in so vielen TV-Dokus, was es mit dieser traditionellen Spezialität auf sich hat. Wir aßen das mal auf den Hurtigruten. Leibspeise wird dieser Fisch wohl keine...

Wir überlegen noch einen schnellen Besuch im Fischerdorfmuseum, aber eigentlich wollen wir lieber die Landschaft bestaunen. Es braucht keine Sehenswürdigkeiten, wenn die Landschaft pittoresker als jedes Ausstellungsstück ist! So nehmen wir Abschied von Å.

Als wir das bekannte Ortsschild passieren, erinnern wir uns grinsend an die Städtepartnerschaft mit dem berühmten walisischen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogoch. 58:1 für die Waliser!

Nun cruisen wir wieder staunend die felsige Küste entlang und nehmen die Farben der Lofoten in uns auf. Wir haben gelesen, dass hier die Fassadenfarben nicht nur Tradition sondern auch eine Bedeutung haben. Es gibt Gründe, warum die lofotischen Dörfer so bunt sind!

Fischer färbten ihre Fassaden rot. Verwendet wurde nicht Falun-Rot, sondern eine leicht und billig herzustellende Farbe aus Tran und Zinkoxyd. Kaufleute wohnten in blauen Häusern und Reiche bevorzugten weiße Häuschen. Öffentliche Gebäude wie Rathaus und Schule strich man gelb an.

Wenige Kilometer nach Å kurven wir über den kurzen Damm hinein nach Reine. Soll der schönste Ort der Lofoten sein, bekannt von vielen Postkarten! Nun, dieses Dorf ist von surrealer Schönheit! Wir parken mitten im Ort, wo der Segelhafen in einen kleinen Platz übergeht. Jetzt aber Kaffee. Und Waffeln!

Wir beobachten, dass die noble "Kaffebar Bringen" da oben gerade zusperrt, also eilen wir gleich gegenüber ins Tapperiet Bistro. Der einfache Holzbau dieser "Zapfstelle" ist liebevoll eingerichtet. Viele antike Gegenstände schmücken die helle Inneneinrichtung. Angelika bezahlt Kaffee und Waffeln, und wundert sich über die für diesen Ort doch günstigen 13.-.

Das Waffeleisen ist glühend heiß. Angelika schöpft großzügige Schöpfer flüssigen Teig auf die Platte und wartet, bis die ersten Rauchwölkchen aufsteigen. Heiß! Nun noch mit Marmelade und Schokosauce füllen und zuklappen. Stolz balanciert sie ihr Werk ins Freie, wo Didi einen guten Platz ergattert hat.

Während wir die Waffeln mampfen und mit Kaffee nachspülen, schauen wir hinauf auf den etwa 450 m hohen Reinebringen, von dem die berühmtesten Fotos der Lofoten gemacht werden. Nun, kurz und knackig soll der Aufstieg ein. Es gibt 1.500 Stufen, die nepalesische Sherpas in den Felsen geschlagen haben! Vielleicht machen wir das beim nächsten Mal...?

Der Nachmittag neigt sich dem Ende zu, wir müssen weiter. Bei der winzigen CircleK-Tankstelle in Reine füllen wir noch schnell den Jahresbecher mit gratis Kaffee und los gehts. Während ein Traktor eine Fuhre Stockfisch liefert und eine veritable Fischgestankwolke hinterlässt, starten wir. Gemächlich geht es die schmale und kurvenreiche E10 wieder in den Norden.

Noch einmal sehen wir die pittoresken Dörfer, die spektakuläre Küstenlinie und die schneebedeckten Gipfel. Die Lofoten sind ein Traumziel für Motorradfahrer! Nur in der Hauptsaison muss er hier wild zugehen, das wäre nix für uns. Die Straßen sind schmal und die Dörfer klein. Wir hatten so ein Glück!

Nach 50 km sind wir wieder in Leknes und biegen scharf rechts ein. Wir folgen nun dem kurvenreichen Fv815. Das Land ist wieder grün und fruchtbar und fast schaut es aus wie bei uns zuhause. Wir durchqueren hübsche Nadelwälder und einsame Almen.

Der Steineveien führt am Ufer eines verwinkelten Fjords entlang. Wir machen noch eine kurze Pause und genießen die unglaubliche Ruhe. Dann noch ein paar Kurven und plötzlich erkennen wir: Hier waren wir schon mal! Klar, 2017 hielt unser Hurtigrutenschiff auch in Stamsund und da drüben ist der Anleger! Oh es ist schön, hier am Ende der Welt an einen vertrauten Platz zurückzukehren!

Es ist 20:00, als wir die zwei Transalps in der Wartespur der Hurtigruten aufstellen. Die "MS Trollfjord" hat den Hafen wieder verlassen und es ist Ruhe eingekehrt. Wir waren auch schon bei "Coop" und haben um 30.- etwas Jause eingekauft. Denn wenn wir an Bord gehen, ist das noble Abendessen längst abserviert.

Didi hat nun Zeit, sich um die fehlende Beleuchtung von Angelikas Moped zu kümmern. Seit Stunden bleiben einige Lichter trotz guten Zuredens finster. Didi erkennt sofort ein Problem mit der Sicherung. Nun, der kleine Sicherungskasten am Lenker ist schnell geöffnet und Didi hat auch die passende 15A-Sicherung eingesteckt. Endlich blinkt und leuchtet die Transalp wieder, wie sie soll!

Wir sitzen am Anleger und langweilen uns. Wir essen ein wenig, träumen vor uns hin, fotografieren und Didi schreibt ins Reisetagebuch. Es ist ein einsamer Platz. Die etwa 1.000 Einwohner von Stamsund scheinen schon zu schlafen. Die Sonne ist längst hinter dichten Wolken verschwunden und es fängt an, zu nieseln.

Erst kurz vor 22:00 trudeln zwei Paare ein. Einheimische mit leichtem Gepäck, die die Hurtigruten wie eine Buslinie nutzen. Man merkt ihnen die Routine an. Wir hingegen sind schon ein wenig aufgeregt, als die riesige "MS Finnmarken" am Horizont erscheint.

Aber alles klappt gut, als wir mit den Transalps in den Lift einfahren, der uns hinunter in den Schiffsbauch bringt. Die nette Crew erledigt das Festzurren und schon checken wir in unsere hübsche Kabine ein. Es ist schon spät und die 900 Passagiere scheinen schon zu schlafen.

Als das Schiff gen Süden ablegt, merken wir den Unterschied zu unserer letzten Hurtigrutenfahrt. Damals begriffen wir die drei Tage als Mini-Kreuzfahrt bei bestem Wetter. Es war geradezu langweilig entspannend und jeder Winkel des Schiffs war uns vertraut! Heute allerdings fahren wir nur wenige Stunden mit, wir sehen nichts vom Schiff und außerdem ist draußen Sturm aufgekommen. Sturm?!

Hektisch klebt Angelika ihr letztes Scopoderm®-Pflaster hinters Ohr und hofft auf schnelle Wirkung. Während Didi sich schon müde in die gemütliche Bettwäsche kuschelt, findet sie keinen Schlaf. Sie schlüpft nochmals in die Stiefel und stromert in Unterwäsche durchs Schiff.

Es herrscht ziemlich unguter Wellengang. Trotzdem wagt sie sich nach draußen und das im absolut richtigsten Moment! Sie sieht einen kleinen Wal, der durch die Fluten pflügt. Was für eine Sensation!

Im Spielzimmer vervollständigen zwei reife Dämchen schweigend ihr quadratmetergroßes Puzzle und im Speisesaal glotzen die todgeweihten Königskrabben aus ihrem Aquarium. Es ist ruhig auf dem Schiff, als sie still in die Kabine schlüpft.

Was für ein Land! Was für ein Tag! Wir müssen die heutigen Eindrücke erst langsam verarbeiten. Gute Nacht, Lofoten!

Tageskilometer: 260 km

Bald geht die Reise weiter: >>klick

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Ein perfekter Motorrad-Reisetag! Näh?

Lofoten

Noch niemand hat es geschafft, mir die Lofoten so nahe zu bringen, wie ihr in eurem Bericht. Es ist unglaublich, wie viele Details und interessante Hintergründe ihr erschnüffelt und angenehm leicht zu lesen zugänglich macht. Mein eigenes Lofotenerlebnis war im Grunde keines. Mir ist kaum etwas in Erinnerung geblieben. Das war eine verpasste Chance, aber es war auch dem Wetter geschuldet.

Ich freu mich, dass ihr so einen schönen sonnigen Tag auf den Lofoten hattet. Beide Daumen hoch.

Drück euch.
Svenja

Antw.:Lofoten

So ein dickes Kompliment! Freu ich mich ganz narrisch!

Ja die Lofoten, das war ein special Tag. Aber is klar, bei Wetter ist diese rauhe Gegend wahrscheinlich ein Alptraum...

Aber du schaust dort sicher nochmal hin, hm?

Umarmung
Geli

Antw.:Antw.:Lofoten

Nein. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich noch einmal soweit nach Norden komme. Zumindest nicht in Norwegen. Ich hab eine Schlechtwetterallergie entwickelt und die Lofoten haben mich damals nicht begeistert. Da war nur Regen. *seufz*
Letztlich ist Wetter doch entscheidender, als man so denkt. Nun, im Frühjahr bin ich wieder abenteuerlustiger.
LG Svenja

Antw.:Antw.:Antw.:Lofoten

Ach Schätzchen, das ist sicher nur die Jahreszeit und nach zwei Motorradtouren im Jahr.
Nächstes Jahr im Frühjahr, du wirst sehen! Du bist doch ein Nordlicht, du kannst Wetter! ;-)

Soooo schööön!!!

Moin Ihrs,
Ja, die Lofoten sind schon echt klasse! Und ihr habt es genau richtig gemacht! Wir haben die E10 gemieden und sind lieber die noch kleineren Straßen gefahren, wegen den Womos. Tja, da habt ihr doch deutlich mehr von dem wunderschönen Erdflecken gehabt, denke ich. Vielleicht sollten wir nächstes mal auch das Wetterrisiko zu einer anderen Zeit eingehen. Schauen wir mal. Geplant hatten wir das ja ursprünglich so... Auf jeden Fall freue ich mich für euch! Stockfisch gab's auf dem Storfjord treffen auch. So schlimm schmeckt der gar nicht, so zum Bier ;) Nicht nur Elche, jetzt auch ein Wal, absolut premium. Da bin ich gespannt was der nächste Tag euch so bringt...
Beste Grüße
Wibi

Antw.:Soooo schööön!!!

Ja das war so ein Premium-Tag! Wir waren ob des Perfekten Wetters ganz demütig und wir nahmen es als Belohnung für den Wetterwahnsinn bei der Hinfahrt. :-)

Tørrfisk hatten wir mal ganz nobel auf den Hurtigruten. War trotzdem nicht so der Knaller. :-)

Ja, jetzt hatten wir in drei Jahren Norwegen: 3 Elche + 2 Babyelche, 1 Wal, 1 Polarfuchs und unzählige Rentiere. Klasse, näh?!

Liebe Grüße aus dem Süden,
Angelika + Didi

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zuletzt aktualisiert am 13.11.2024