16. Tag: Å i Lofoten - Reine

"Das Goldene Dreieck". "Die schönsten fünf Kilometer der Welt". "Das fotogenste Dorf Norwegens". "Der König Olaf Weg". All das wartet heute auf uns! Die Sonne strahlt vom blitzblauen Himmel, auch die letzten dekorativen Wölkchen haben sich verzogen. Es ist mit sonnigen 15°C so warm, dass wir endgültig das Winterfutter aus dem Motorradzeug fummeln. Das mit 125g dünnste Icebreaker® aus dem Vorrat wird reichen!

Didi war schon in der winzigen Bäckerei und hat um 12.- einen Sack voller Brötchen geholt. Es gab nicht viel Auswahl, aber für die fünf Einwohner der Insel reicht es allemal! Wir lesen ein wenig über Hamnøy, als wir um 8:30 bei einem Berg Rührei in unserer Küche sitzen. Auf Grund der kreativen Deko haben wir auf ein Frühstück im Garten verzichtet.

Das offenbar älteste Fischerdorf Norwegens ist ein Top-Touristenhotspot. Soviel war uns schon klar. Wir haben die Kolonnen Wohnmobile oben auf "unserer" Brücke schon gesehen, die im Schritttempo am ikonischen "Hamnøy Bridge Fotopoint" vorbeirollen: Er am Steuer und sie filmend, das Smartphone aus dem Fenster haltend.

Nicht nur der zubetonierte Stellplatz auf Sakrisøy war gestern heillos überfüllt. Dennoch wundern wir uns. Vor fünf Jahren 2019 waren wir ganz alleine da! Mit diesen Gedanken im Hinterkopf starten wir - nach einer ausgiebigen Sonnenpause auf der Terrasse - zu Mittag los.

Wir haben nur ganz kleine Pläne für heute: Essen, Postkarten schreiben, ein paar ganz bestimmte Fotos machen. Deshalb stauen wir nun über die Inseln Toppøya und den Damm nach Sakrisøy über die Brücke nach Reine. Am Parkplatz "unseres" COOP spielt sichs schon wieder grausam ab. Fünf Plätze für Autos, auf denen sieben Wohnmobile parken wollen. Kopfschüttelnd tuckern wir vorbei.

Wir freuen uns schon lange auf einen bestimmten Fotopunkt vor Reine. Wir wollen so gerne unser Foto von 2019 wiederholen, jetzt mit den neuen Transalps! Als wir uns im Stau einer Baustelle nähern erkennen wir, dass die kleine Ausweiche am Straßenrand mit Wohnmobilen voll belegt ist. So eng, dass wir mit zwei Transalps keinen Platz mehr finden. Wir geben die Hoffnung nicht auf: Na dann bei der Rückfahrt!

Im Langsamsttempo cruisen wir nun die "schönste Straße Norwegens" Richtung Süden entlang. Die Umgebung ist pittoresk! Spektakulär, grandios, phänomenal! Atemlose Begeisterung auf jedem Meter. Nur stehenbleiben können wir nicht und nirgends. Wir fahren in einer Kolonne von Wohnmobilen und Mietwägen, alle offenbar von unfähigen oder unerfahrenen Fahrern gebucht, die von der schmalen und kurvigen Straße vollkommen überfordert sind.

Vorbei an Reine, dem Fährhafen Moskenes, Sørvagen und Tind regt sich langsam Ärger. Kein Foto bisher! Wir filmen ab jetzt einfach mit beiden GoPros die ganze Fahrt und hoffen, dann schöne Bilder per Filmshot zu bekommen. Es ist unfassbar, was sich hier auf den Straßen abspielt! Was ist zwischen 2019 und jetzt passiert?! Damals rollten wir entspannt und einsam den Archipel entlang. Heute herrscht hier Verkehr wie auf der "Südosttangente" werktags in der Früh!

Hier ist schon das ikonische Ortsschild von "Å i Lofoten", schlicht "Å". Zwei Touristinnen klammern sich ans Schild und machen Faxen, eine dritte versucht, damit Instagram zu beeindrucken. Das dauert. Dutzende Touristen rollen vorbei, keiner bekommt sein ersehntes Foto. Wir auch nicht. Auch eine Art Gerechtigkeit!

Anders als beim ersten Besuch kennen wir unser Ziel und den Weg dorthin. Vor dem Tunnel den kleinen Weg links und einfach selbstbewusst mitten durchs Örtchen bollern. Hier hat sich nichts verändert! An den feuerrot lackierten Touristen-Rorbuer vorbei und - klasse! Es gibt jetzt drei Motorradstellplätze beim Restaurant!

Wir schauen uns um. Am Stockfisch-Gestell hängen keine Tørrfisk mehr aber sonst ist alles, wie wir es in Erinnerung haben. Hier an der Wasserkante herrscht heilige Ruhe. Der Touristenstrom endet am kleinen Hauptplatz, wir haben einen Verdacht, warum. Wir stiefeln in den pittoresken Gastgarten und suchen einen schönen Platz: Auf den Planken über dem glucksenden Wasser! Halten wir es in der Sonne aus? Es hat knapp über 20°C und wir schwitzen!

Hier hockt nur eine kleine Handvoll Gäste und beim Blick auf die Speisekarte ist klar, warum. Das "Brygga" ist einfach absurd teuer! Sind die Lofoten schon das Norwegen Norwegens, ist dieses Restaurant vermutlich der teuerste Fleck der Inselgruppe.  Das ist also der Trick, um Ruhe zu genießen. Man muss sie sich kaufen!

Nur wenige Minuten und knackige 54.- später sitzen wir glücklich vor zwei Schüsseln lofotischer Fischsuppe. Angelika hat 2019 das Rezept abgestaubt und obwohl die Suppe meist gut gelingt, dies hier ist schon noch etwas Anderes. Oder ist es die Aussicht auf das glitzernde Nordmeer, die hohen Felsen rundherum, die hölzernen Pfahlhütten oder das 230 Jahre alte rot gestrichene Restaurant, was das Essen besonders lecker macht? Vermutlich.

Setzen wir uns für den Kaffee lieber in den Schatten? Ja, denn es ist richtig warm geworden und wir wollen noch eine Weile an diesem paradiesischen Flecken bleiben! Wieder fällt uns auf, dass in diesem Land Kaffee mit 3.- á Häferl unglaublich günstig ist! Bei zwei oder drei Häferl Milchkaffee schreiben wir jetzt unsere Postkarten. Eine Tradition, die wir aufrecht erhalten! Und auch wenn wir nur ganz vereinzelt eine erhalten, es macht uns Freude, Karten zu verschicken!

Später schauen wir uns noch etwas um und stiefeln hinüber, wo das Örtchen an einer Kaimauer am Meer endet. Genauer an einer aussagekräftigen Hochwassermauer.

Bei Sturmregen oder gar Unwetter will man hier nicht sein! Der Ort liegt nur drei Meter über dem Meer und es ist nicht die Adria, die da draußen so verführerisch glitzert. Erst 2023 wurde hier eine ganze Hütte vom Sturm ins Meer gerissen. Inklusive der schlafenden Touristen ...

Nachdem wir die Postkarten im kleinen Shop abgegeben und etwas Stockfisch für unterwegs gekauft haben, brechen wir langsam auf. Wir wollen noch nach Reine, auf eine Waffel im "Tapperiet Bistro"! Der Verkehr scheint etwas weniger geworden zu sein, als wir uns auf die einzige Straße hier einfädeln. Die norwegische E10 endet in Å i Lofoten.

Da vorne ist schon der Fotopunkt von Reine angeschrieben! Wir müssen noch unsere Fotowiederholung von 2019 ... BITTE WAAAS? Darf das wahr sein? Wir machen uns am Straßenrand ganz schmal, als wir das Ungeheuerliche feststellen: Auf dem winzigen Halteplatz stehen die gleichen Wohnmobile von vorhin. Und jetzt erkennen wir auch, dass Dachzelte ausgeklappt, Wäscheleinen gespannt und Griller aufgestellt sind. CAMPEN DIE ETWA HIER?! An einem weltweit bekannten "Scenic View and Photo Point"?!

Angelika fühlt heiße Wut über soviel ICH-ICH-ICH, soviel Ignoranz, soviel "Sch**ss auf alle anderen" aufsteigen! Wie kann man nur so sein?! Tausende Touristen täglich wollen hier genau dieses eine Foto machen und können keinen Stellplatz finden, weil DIE CAMPEN HIER?! Das kanns ja nicht sein. Nicht einmal zwei Transalps (Meine Güte sind wir froh, seit zwei Jahren ohne Koffer zu reisen und so schmal zu sein!) können hier Pause machen und die Fahrbahn ist schlicht zu eng!

Mögen ihnen der Fernsehempfang kaputt gehen und die Klopapierrolle immer verkehrt herum hängen!!

Soll jeder Urlaub machen, wie er will. Aber soviel Egoismus, Selbstsucht, Ichbezogenheit geht einfach zu weit. Dass die - wie sich Einheimische beschweren - von allen Individualreisenden das mieseste Verhalten an den Tag legen und überdies am wenigsten Geld im Land lassen, lässt auch die Lofotinger langsam grantig werden.
[Anm.: Erst nach unserem Urlaub lesen wir, dass Norwegen wegen der Wohnmobiltouristen überlegt, eine Touristensteuer einzuführen! Und nicht, dass Norwegen das Geld brauchen würde ...]

Angelikas Zorn ist noch nicht verraucht, als wir in Reine im Gastgarten der Tankstelle hocken und Croissants zum Kaffee knabbern. 4 zum Preis von 3, ein tolles Angebot! In "unserem" Café da drüben, wo wir 2019 in aller Stille Waffeln brutzelten, ist heute kein einziger Sitzplatz frei. Und gerade hält ein Reisebus davor, es wird also nicht besser. Während Didi wegen dem lauten Stress ringsum immer schweigsamer wird, fühlt Angelika plötzlich: Es ist Zeit, diese Gegend zu verlassen.

Das ist nichts mehr für uns. Wir haben romantische und einsame Erinnerungen an das, was sie jetzt "Goldenes Dreieck" nennen, die Region Hamnøy-Reine-Å. Diese Erinnerungen nimmt uns niemand! Aber seit kurzem hat der Massentourismus alles kaputt gemacht. Fotos und Eindrücke sind der Grund, warum Touristen den beschwerlichen Weg auf sich nehmen und diese Fotos und Eindrücke werden immer unmöglicher.
Wir haben ein schönes Bild von Reine auf morgen verschoben.

Großbusse und Wohnmobile fahren auf Straßen, die nicht für sie gemacht sind. Lokale sind allesamt zu klein, um 50 Personen oder mehr gleichzeitig zu bewirten. Jeder freie Quadratmeter wird wegen dem "Jedermannsrecht" als gratis Parkplatz benutzt. Es gibt auf diesem winzigen und felsigen Archipel nicht genug Platz für so viele Menschen gleichzeitig!
Geiranger und Trollstigen sind bereits Disneyland, der Drops ist gelutscht. Kann man getrost auslassen. Soll den südlichen Lofoten das gleiche Schicksal bevorstehen?

Langsam und nachdenklich rollen wir über zahlreiche Dämme und Brücken zurück nach Hause. Wir begrüßen Beschränkungen des Overtourism aus vollem Herzen. Es ist einfach notwendig geworden, um ikonische Plätze zu erhalten. Dass wir von solchen Einschränkungen vielleicht auch betroffen sein werden, nehmen wir gerne in Kauf. Obwohl Motorradreisende weltweit noch nicht als Problem wahrgenommen wurden.

Auf unserer schönen Terrasse fühlen wir uns wieder wohl. Hier haben wir unsere Ruhe und eine prächtige Aussicht. Dass wir so auf hunderten Fotospeichern landen werden, ist uns egal. Während der Mond in der Mitternachtssonne aufgeht, sehen wir hinüber auf den Stellplatz von Sakrisøy und Menschengruppen am Gipfel des Reinebringen.

Heute ist unser letzter Abend hier. Wir genießen alles aus vollen Zügen: Kochen, Essen, Kaffee und heiße Schokolade und das wunderschöne Haus des ersten Inselbesitzers. Abends starten wir noch mal die Waschmaschine. Dann sind wir für die 2. Halbzeit der Reise wieder gut aufgestellt. Morgen geht es in andere Regionen auf den Lofoten. Wir freuen uns schon!

Tageskilometer: 35 km

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Das Goldene Dreieck - Pro oder Contra?

fotos

unwahrscheinliche bilder und trotzdem enttäuschender tag? ich frage mal so: habt ihr es gar bereut, dorthin gefahren zu sein?
dass die lofoten bereits overtouristisch sind, war zu befürchten, wenn man die zeitungsberichte liest.
lg TinA

VanLifer 2

Da sind Fettaugen auf der Suppe. So muss das!


Die Rücksichtslosigkeit vieler Wohnmobilisten kann einen schon wütend machen (eigene Erfahrung), so dass selbst langjährige, erfahrene WoMobis sich darüber aufregen können.

In den letzten Jahren gibt es in Skandinavien immer mehr versperrte Wege mit Schranken oder dicken Steinen, damit die weißen Geizhälse sich da nicht niederlassen. So wie die Stachelkränze gegen Tauben liegen Felsbrocken in den Waldzufahrten. Die Tauben shicen immer alles voll, die anderen ...

Dabei ist es so schade: Ich hab immer gedacht, im Alter, wenn du mal nicht mehr Enduro fahren kannst, mit 80 oder so, da kauf ich mir auch ein Wohnmobil und mache meine Reisen damit. Die Idee hab ich längst verworfen wegen ist grässlich.

PS: Danke für die hübsche Postkarte von den Lofoten. Die hat einen Ehrenplatz im Regal direkt über dem Monitor.

PPS: Wenn ihr eine Umrandung aus Tesafilm um die Teller klebt, passt noch eine Kelle mehr hinein :-)))

Antw.:VanLifer 2

Ach, ich war so wütend dort. Wie kann man nur so sein? Man muss doch merken, dass man das Ar***loch ist.
Es ist interessant, dass die Nordleute mit subtilen Mitteln wie Felsbrocken reagieren! Ich muss sagen, ich befürworte das.

Nein, Wohnmobil kaufen wir keines! Wenn es zweirädrig nimma geht, dann halt mit Quad. Und Hütten, wie jetzt auch schon!
So der Plan.

Danke für den Suppentipp. Könnte man selbst draufkommen. :-)))
Geli

ach du schande!

das kam unerwartet! ist diese weit entfernte insel auch schon so überlaufen? kann es sein, dass ich zu spät komme mit meinen reisen?
ich muss privat und beruflich noch einige zeit engagiert sein und so lange reisen sind noch nicht möglich.
bis dahin ist hoffentlich noch nicht überall massentourismus. :(
dlzg
der rider

Antw.:ach du schande!

Wir wissen es schlicht nicht, aber seit Corona hat sich der Massentourismus überall so beschleunigt. In nur 5 Jahren hat sich dort so viel verändert, obwohl gerade die Lofoten ja nicht sooo leicht erreichbar sind.

Gleiches hören wir von Island, und da haben wir genau die gleichen Befürchungen wie du: Hoffentlich kommen wir nicht zu spät...

Ganz liebe Grüße
Geli + Didi

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zuletzt aktualisiert am 13.11.2024