Ganz ehrlich? Manchmal ist es auf Motorradreise einfach unlustig! Ihr werdet in Reiseberichten nicht oft davon lesen, aber manchmal macht es keinen Spaß. Manchmal fragt man sich, warum man sich das eigentlich antut. Heute Morgen ist so ein Moment.
Es schüttet in Strömen bei nicht einmal 5°C. Die Landschaft ist im dichten Regen verschwunden, als wir frühmorgens aus dem winzigen Fensterchen der Hütte gucken. Und noch schlimmer: Weil unser Hauptaugenmerk dieser Reise auf den weit entfernten Lofoten liegt, haben wir zwei viel zu lange Fahrtage eingeplant. Heute müssen wir richtig Kilometer machen und drei Fjordfähren liegen am Weg. Und das alles bei diesem Wetter?
Und zu allem Unglück ist Didis Camping-Pölsterchen kaputt. In der Früh war es ganz flach. Aber es ist wichtig für guten Schlaf und wir brauchen nun dringend Ersatz! Der nächste Outdoor-Shop ist erst übermorgen, wie wir bei einem ersten Kaffee auf Google feststellen.
In weiser Voraussicht haben wir gestern schon alles eingepackt und auf die Transalps gezurrt! Wir nippen am heißen Kaffee, während wir uns ins Regenzeug winden und alles wasserdicht verschließen. Die verpflichtende Hüttenreinigung? Bisher haben wir immer selbst zu Besen und Wischmopp gegriffen. Als winzigen Luxus dieser Reise gönnen wir uns heuer erstmals die fällige Reinigungsgebühr, das spart Zeit. Wir schauen uns an. Haben wir alles? Raus jetzt!
Wir knallen die Hüttentüre von außen zu und springen auf die Transalps, die schon knöcheltief im Wasser stehen. Es ist genau 8:10, als wir die schmale Bergstraße hinunter zum Nordalsfjord rollen. Wir haben in der Nacht noch den Fahrplan der Fjordfähre Eidsdal-Linge recherchiert und wir hoffen das Boot um 8:40 zu erreichen.
Obwohl es immer stärker regnet, schaffen wir die neun Kilometer bis zum Anleger in einer Viertelstunde. Im strömenden Regen sehen wir die Fähre heranschippern. Wir sind gespannt. Wir hörten, dass die Gebühr nun irgendwie elektronisch funktioniert, mit online Anmeldung. Die Männer mit der Geldtasche, die persönlich einkassieren, sind Geschichte. Angelika hat bereits zuhause wahllos alle möglichen norwegischen Onlineregistrierungen angeklickt. Hoffentlich hat die für "Ferrypay" funktioniert!
Kaum haben wir die Transalps auf die offene Fähre gestellt, flüchten wir ins Innere. Wir beobachten durchs Fenster, dass der Gebühren-Mann mit einer kleinen Maschine alle Kennzeichen fotografiert. Ob das Zahlen so funktioniert? 27 NOK pro Motorrad finden wir äußerst günstig. Die 13 Minuten Fahrt über den Fjord kostet uns knapp 5.-. Für ein Hotdog-Frühstück bleibt leider keine Zeit, wir wir grummelig feststellen.
Schon spuckt uns die Fähre in Linge aus. Wir haben uns entschieden! Wir fahren die Westroute nach Molde und lassen den Trollstigen aus, obwohl er vorgestern nach der Wintersperre geöffnet wurde! Wir kennen die hübschen Kehren dort schon gut, been there, done that! Diese Etappe ist bei diesem Sauwetter einfach keine schöne Fahrt und wir wollen etwas Neues probieren, eine Strecke mit weniger Verkehr als die "Nationale Touristenroute Rv63"!
[Anm.: 10 Tage später wird nach einigen Steinschlägen am Trollstigen die berühmte Strecke für das ganze Jahr 2024 gesperrt. Die Zukunft der Touristenroute ist unklar, die Gefahr von Erdrutschen und Steinlawinen ist zu groß geworden.]
So biegen wir schwungvoll nach links auf den Fv650 Richtung Liabygda. Bei strömenden Regen cruisen wir nun den Storfjord entlang gen Norden. Unzählige Schafe trotzen hier auf ihren Almen unbeeindruckt dem Wetter und schauen nur kurz neugierig auf, wenn wir vorbeibollern. Wir sind vollkommen alleine unterwegs. Kein Bus, kein Wohnmobil hat diesen Weg gewählt.
Wir versuchen trotz aller Widrigkeiten, die Fahrt zu genießen - und die langsam in die nassen Handschuhe kriechende Kälte zu ignorieren. Wir freuen uns über die schmucken rotgestrichenen Höfe, die ab und zu am Waldrand auftauchen und über die wuchernden Büsche von violetten Lupinen am Wegesrand. Eigentlich invasives und schädliches Unkraut, aber sehr hübsch anzusehen. Beide Farben sind für uns untrennbar mit Norwegen verbunden!
Nach etwa 70 km haben wir diese einsame Gegend hinter uns gelassen und Vestnes erreicht. Der Alesundvegen E39 führte über weite Almen und durch undurchdringliche Wälder. Wir sind froh, diesen Weg nach Molde gewählt zu haben. So waren wir im Starkregen wenigstens alleine und ohne viel Verkehr unterwegs.
Schon sehen wir die schmucke Tresfjordbrücke Richtung Andålsnes, ein Kreisverkehr und noch einmal kräftig am Gas ziehen. Nur Augenblicke vorm Ablegen hüpfen wir auf die Fähre Vestnes-Molde! Wir haben die Überfahrt um 10:00 geschafft! Heute wollen wir auf keine Fähre warten müssen, bei so einer langen Tagesetappe zählt jede Stunde!
Auf der Suche nach Frühstück die Enttäuschung: Heute ist Sonntag und das Fährenbistro hat geschlossen! So ein Mist! Aber so haben wir eine halbe Stunde Zeit, unsere Sachen notdürftig zu trocknen. Ums Bezahlen kümmern wir uns nicht mehr. Das soll die Onlineregistrierung von Ferrypay erledigen und sich die 7.- vom Urlaubskonto selbst abholen.
Wir sind zum dritten Mal in der "Blumenstadt Molde" und zum dritten Mal bei Starkregen. Es ist doch wie verhext! Langsam rollen wir durch das Städtchen, auf der Suche nach Frühstück. Kannst du dich erinnern? Da rechts ist der ungeliebte Campingplatz, den wir nicht mochten! Damals 2018 sind wir spontan sogar eine Nacht früher abgereist. Aber viel wichtiger: Da vorne erkennen wir im Regen eine CircleK-Tankstelle!
Zwei teure Tankfüllungen später stehen wir am Tresen und mampfen heiße Hotdogs. Dass wir alles volltropfen, nehmen die netten Menschen hier stoisch zur Kenntnis. Damit kann man keinen Norweger beeindrucken! Wir revanchieren uns mit einer großen Rechnung für heiße Snacks und noch mehr Kaffee und Kakao. Nach diesem Gelage fühlen wir uns wieder besser und starten los.
Kann es sein, dass der Regen etwas nachgelassen hat? Es nieselt nur mehr, als wir eine halbe Stunde und einige schlammige Baustellen später die spektakuläre Gjemmnesundbrücke erkennen. Hier waren wir schon mal! Die Brücke ist uns sofort vertraut, als wir in gemessenem Tempo die hochgeschwungenen 1,2 km auf die Insel Bergsøya überqueren.
Da unten ist der große Parkplatz mit Brückenaussicht! Wir machen eine kurze Pause und knabbern ein paar Kekse. Wir sind trüb gelaunt. Wisst ihr, was das größte Ärgernis an Regenfahrten in Norwegen ist? Nicht das Wasser oder ungemütliche Kälte. Wir haben mittlerweile unsere Heizhandschuhe angezogen, damit hält man auch Minusgrade gut aus. Das größte Problem ist ganz profan, nämlich dass man von der wunderbaren Landschaft nichts sieht! Das ist das eigentlich Enttäuschende daran, wie wir hier feststellen. Das macht die Sache so langweilig.
Nach dem letzten Schluck Zaubertrank klettern wir wieder auf unsere Transalps. Der Starkregen hat wieder eingesetzt und wir tuckern weiter durch die trübe Landschaft. Auf der blauen Bergsøysundbrücke winken uns zwei Angler fröhlich zu. Man sieht ihnen das Mistwetter gar nicht an. Vielleicht sind sie bei so einem Unwetter besonders erfolgreich?
Wir halten stur auf Kurs und schauen kaum links und rechts. Wir durchqueren eine recht unspektakuläre Gegend und hoffen, dass die letzte Fähre des Tages auf uns wartet. Nichts ist furchtbarer, als ungeschützt im Regen zu stehen und warten zu müssen!
Eine halbe Stunde später erreichen wir Kanestraumen. Klasse, wir können schon auf die Fähre! Pünktlich um 13:00 legt sie ab und wir eilen an Deck, um heißen Kaffee zu holen. Wir haben 20 Minuten Zeit, zumindest unsere Helme zu trocknen und die Handschuhe auf die Heizung zu legen. Draußen prasselt der Regen aufs Deck und wir versuchen, die paar Minuten im Trockenen zu genießen.
Als wir in Halsa von der Fähre rollen, reagieren wir einen Augenblick zu spät. Vor uns schlingert ein Wohnmobil unsicher dahin. Wir haben den Moment verpasst, es zu überholen! So tuckern wir mit unerträglichen 30 km/h unendliche Kilometer hinter dem Holländer hinterher. Entnervt vom Dauerregen und von der Tatsache, dass wir noch eine lange Strecke vor uns haben!
In Liabøen retten wir uns unter das kleine Dach eines Straßencafés. Das waren die mühsamsten 13 km des Tages, stellen wir bei einem heißen Becher starken Kaffee fest, den Angelika kurzerhand aus dem Shop geholt hat. Wir gönnen uns eine kurze Pause und hocken auf den wackeligen Stahlrohrsesseln, während wir müde in den herunterprasselnden Regen schauen.
Die nächsten 100 km erledigen wir in einem Rutsch. Die Provinz Trøndelag ist hier eine einsame Gegend, nur 11 Personen auf einem Quadratkilometer! Ein bisschen Landwirtschaft und dunkle Wälder. Manchmal fühlen wir uns auf Grund der Weite und der kargen Vegetation wie auf einem Fjell!
Bevor uns richtig kalt wird, erreichen wir um 15:30 Orkanger. Schon vor Jahren sind wir hier durchgefahren und alles war eine schlammige Baustelle im Regen. Nun, die Baustelle ist weg und der Regen wird langsam leichter. Während es nur mehr nieselt, machen wir bei einer yx-Tankstelle Pause. Wir kaufen Kaffee und Schokolade für gleich und ein paar Kekse für abends. Wir sind ziemlich müde geworden, die mühselige Fahrt hat ziemlich an uns gezehrt.
Doch die Aussicht, nur mehr 70 km bis Bett und Dusche, hat unsere Lebensgeister wieder geweckt. Mit frischem Mut klettern wir auf die Transalps und kurven aus der kleinen Stadt. Wir machen es uns einfach und bleiben auf der E39, die irgendwann in die berühmte E6 übergeht.
Als wir ohne besondere Vorkommnisse Trondheim erreichen, hat es endlich - endlich! - zu regnen aufgehört! Ganz plötzlich ist die Straße trocken und die Fahrspuren werden breiter und mehr. Jetzt geben wir Gas! Unter dem verstörend gebauten Autobahnbrückenhotel (wer will hier wohnen?) durch und schon kurz später erreichen wir den Flughafen und endlich auch Stjørdal.
Wir haben eine leicht zu findende Unterkunft gebucht und tatsächlich, ohne Verzögerung rollen wir auf den weitläufigen Parkplatz des praktischen Business-Hotels. Im Trockenen! Es ist genau 17:00, wir waren acht Stunden unterwegs. Wir sind ziemlich erledigt.
Das Hologramm checkt uns ein und der Computer meldet uns fürs Abendbuffet an. Sehr unpersönlich aber das Zimmer ist gut und warm und wir können all unser Zeug trocknen und lüften. Später erholen wir uns bei Hühnergeschnetzeltem mit Reis, Chili con Carne, Kuchen, Mousse au Chocolat und was das Angebot so hergibt. Die Aussicht auf den Trondheimfjord ist sogar recht schön!
Wir gehen heute sehr früh schlafen. Denn wie angekündigt, das war der erste und sogar der kürzere von zwei sehr langen Fahrtagen. Unser Ziel, die Lofoten, sind weit entfernt...
Tageskilometer: 320 km
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Ach ja! Nur zwei Tage später werden uns eine Handvoll Euros vom Konto abgebucht. Die digitale Bezahlung der Fährengebühren funktioniert!