4. Tag: Hamburg - Molfsee

Wir haben nicht gut geschlafen und sind ziemlich erschöpft. Die Abteile sind zwar doppelt so groß wie bei der ÖBB, aber die fehlende Waggonfederung warf uns bei jeder Weiche aus dem Schlaf, und die kaputte Fixierung der Jalousie ließ mitunter gleißend helles Licht herein.

Da der Zug um 7:45 in Hamburg-Altona anlegt, geht sich für uns auch kein Frühstück mehr aus. Stattdessen packen wir unser Zeug zusammen und schauen aus dem geöffneten Fenster! 

Bei diesem Zug kann man noch die Fenster weit öffnen und Angelika genießt es sehr, sich den morgenfrischen Wind ins Gesicht blasen zu lassen! Es ist trüb bewölkt bei 16°C aber trocken. Klasse!

Hej schau! Da drüben ist schon die Elbphilharmonie! Wir sind gleich da! Wir packen in Windeseile zusammen, als der Zug pünktlich im Bahnhof einläuft. Als wir den Bahnsteig entlang schlendern, spüren wir ganz intensiv die Vorfreude auf die Reise. Wie jedesmal, wenn wir auf diesem Bahnhof stehen!

Kurz später klettern wir in den Stahlaufleger, um unsere Transalps zu befreien. Wir haben die Plätze ganz vorne! Ist man beim Autozug der Erste, muss man zwar bei der Abreise den unendlichen langen und äußerst (!) unangenehmen Weg durch alle Waggons nach vorne paddeln, hat aber bei der Ankunft den Vorteil, nur eine Autolänge von der Freiheit entfernt zu sein. Was empfehlenswert ist? Reine Geschmacksfrage!

Die Security-Männer sperren wie gewohnt einen kleinen Korridor in der Einkaufspassage und schon rollen wir gemessenen Tempos - vorbei an "Press & Books", "Le Crobaq" und neugierigen Passanten - durch die Bahnhofshalle ins Draußen. Wie immer gibt es den ersten Kaffee bei Köz Urfa nebenan. So will es das Gesetz!

Während wir gemütlich in den Korbsesseln hocken, winken wir den mitreisenden Motorradfahrern. Alles Gute und "ride safe!" Ein Liter salziger Ayran und türkischer Kaffee vertreiben die Müdigkeit und die Packrollen sind schnell auf die Transalps gezurrt. Wir schauen uns an. Es kann losgehen! 1,5 Stunden nach der Ankunft starten wir die Hondas und fädeln uns in den Verkehr auf der Max-Brauer-Allee ein.

Die B4 "Kieler Straße" heißt zum Glück genau so! Wenn wir den Weg nicht verlieren, sind wir bald in der hübschen Landeshauptstadt! Wir wollen heute nicht auf die Autobahn, denn wir haben eine Menge Zeit! Wir möchten gerne gemütlich die Landstraße entlang cruisen.

Kurz später brausen wir die BAB7 gegen Norden. Keine Ahnung, wo und wie das passieren konnte!

Im SPORT-Modus entfalten die Transalps ihre ganze wuchtige Power und wir grinsen in unsere Helme! Schon passieren wir die Grenze zu Schleswig-Holstein, jetzt sind wir "im echten Norden"! Wir brauchen insgesamt etwa eine Stunde bis Quickborn.

Jahrelang war dieser skurrile Ortsname für uns nur eine Autobahnabfahrt im Nirgendwo der norddeutschen Ebene. Aber seit einiger Zeit kennen wir dort ein Lokal, dessen "Schinken-Käse-Toast" seinesgleichen sucht! Wir finden "Lavini´s Café" auf Anhieb und kurz darauf balanciert der nette Kellner die appetitlichen Holzplatten an unseren Tisch.

Toast, ein paar Kaffees und ein grandioses Crêpe "Banane + Schokolade" später nehmen wir wieder Fahrt auf. Die historische B4 "Kieler Straße" führt hier vorbei und wir sind froh, die Autobahn los zu sein!

Infobox: Die B4 - Kieler Straße

Wir befinden uns im Jahr 1830 und sowohl Kiel als auch Altona waren dänisch. König Frederik VI. hatte mit dem "Kieler Frieden" bereits Norwegen an Schweden verloren. Er hatte mit Napoleon "gepackelt" und als beim "Wiener Kongress" 1815 (im heutigen Bundeskanzleramt) Europa neu geordnet wurde, galt Dänemark als Kriegsverlierer und musste auch Kiel an Deutschland abgeben.

Erholt von der Schmach (aber beliebt bei der Bevölkerung) entschied der König, diese Handels- und Militärstraße zwischen Kiel und Altona zu bauen. Dänemark wollte Kiel zurückgewinnen! Genutzt hat es wenig, Kiel wurde etwa 35 Jahre und einen Krieg später österreichisch.

Der Meilenstein Nr. 1 steht auch heute noch in Kiel, am "Rondeel" hinter dem Bahnhof. Bis nach Hamburg hinein kann man diese kunstvollen Obelisken mit dänischen Meilenangaben (1 Meile = 7,5 km) verfolgen! Nur die Mautpflicht ist schon lange Geschichte...

Wir cruisen entspannt übers flache Land und gucken links und rechts. Es ist immer noch eine fremde Umgebung für uns, dieses nördliche Bundesland! Wir sehen viele Gestüte mit glänzend gestriegelten Pferden auf der Weide und ab und zu ein hübsches Backsteinhaus mit wuchtigem Reet-Dach. Wir lieben diesen Anblick, denn er fühlt sich ganz nach Urlaub an!

Die B4 führt unter einigen langgestreckten Alleen durch. Das ist wunderbar zu fahren! Diese uralten Baumreihen am Straßenrand fielen in Österreich längst dem behördlichen Sicherheitswahn zum Opfer. Niemand soll seine tiefergelegte Kilometerleiche auf Breitreifen um einen Baum wickeln, nur weil 200 km/h auf der Bundesstraße eine Spur zu schnell waren!

Bad Bramstedt! Unser Weg führt mittendurch und wir ahnen schon, dass das keine gute Idee ist! Erwartungsgemäß verfahren wir uns und umrunden das Städtchen gefühlt mehrfach. Kellinghusen? Falsche Richtung! Hasenmoor, Heidmoor, Wulfsmoor, Kronsmoor? Sagt uns nichts. Wo bitte gehts nach Kiel!?

Das öde Spiel wiederholt sich in Neumünster. Nichts ist angeschrieben, also nichts, das uns bekannt vorkommt! Die übergroßen dunklen Dächer auf den niedrigen Häuschen fielen uns schon beim ersten Mal hier auf. Aber so witzig der Anblick auch ist, wir glauben nicht, dass wir auf diesem Fußweg durch diese Siedlung richtig sind! Aber der kleine Waldweg dort könnte durchaus die Zufahrt zur Landeshauptstadt sein?

Gerade, als uns das Herumgestochere auf die Nerven geht, finden wir auf die Autobahn BAB7. Endlich lassen wir den 92 PS freien Lauf gen Norden. Aber Achtung! Nur 20 km lang, denn bei der Ausfahrt mit dem romantischen  Namen "Blumenthal" müssen wir raus! Angelika hofft stark, dass Didi sie jetzt nicht überholt, denn sie könnte ihn wohl nicht mehr rechtzeitig einfangen.

Aufmerksam kurven wir nun übers leicht hügelige Land. Nur Minuten später erkennen wir am linken Straßenrand das wuchtige, historische Haus "Catharinenberg". Der rote Backstein gefällt uns auf Anhieb, als wir unsere Transalps Punkt 13:00 vor den Eingang schieben.

Der Empfang könnte herzlicher nicht sein! Sogleich werden wir gebeten, unsere Hondas auf den Privatparkplatz des Chefs zu schieben. Wir wollen doch nicht im tiefen Schotter des Hotelparkplatzes parken? Dankbar nehmen wir das Angebot an. Auch ein Willkommens-Bier steht umgehend am Tresen. Wie nett und zugewandt die Leute hier sind!

Nachdem wir uns aus den schwitzig gewordenen Motorradsachen gewunden und eine schnelle Dusche genommen haben, hocken wir im blumengeschmückten Gastgarten vor zwei anständigen Häferl Kaffee. Es hat zwar nur 18°C aber die dunstige Schwüle macht es unangenehm warm. Später schlendern wir durch den verträumten Ort und sehen uns um.

"Wir befinden uns im Jahre 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten."

Molfsee, das Gallien Deutschlands! Es war dieses kleine Dorf, das 15 Jahre lang großflächiges GoogleView in ganz Deutschland stoppte! Für den Fall, dass Google in Molfsee auftaucht, wollten sie die Polizei einschalten und denen ihre Straßenverkehrsordnung "um die Ohren hauen"! Deutsche Bürokratie demontierte die Interessen des Weltkonzerns und erst 2023 einigte man sich hinsichtlich Datenschutzdingen.

Das verschlafene, verträumte Dorf zeigt abends ein anderes Gesicht. Es ist unglaublich, was in unserem Hotelwirtshaus los ist! Alle Tische sind besetzt! Als man unsere Bestellung heranschleppt, verstehen wir auch,  warum. Große Portionen deftiger Hausmannskost und - für Österreicher - phantasievolle Kombinationen feinster Zutaten werden hier aufgetragen. Weißt du was? Wir nehmen nur eine leichte Kleinigkeit, nichts Großes!

Als wir später früh schlafen gehen, sind wir von der dicken Cremesuppe, dem panierten Lachsfilet an Hummersauce auf Bandnudeln mit Krabben und den gebratenen Entenkeulen mit Speck-Rösti, gefolgt von Erdbeergrütze, Eis und Topfen-Mohnschnitten vollkommen erledigt. Wir zahlen für alles knapp 90.- und sind doch ein wenig erstaunt. Das hier ist offenbar schon mehr als ein einfaches Dorfwirtshaus!

Morgen bleiben wir aus Gründen hier! Aber jetzt gehen wir erst mal liegen...

Tageskilometer: 115 km

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Die Reise nimmt Fahrt auf...

kurze strecke

hallo! jetzt lese ich euren bericht in einem rutsch durch. bei euch ist sogar so eine kurze strecke (ich habe in google maps nachgesehen) lustig zu lesen.
weiter so!
dlzg
der rider

Antw.:kurze strecke

Danke für das Lob! :-)))

Autozug

So wenig komfortabel die Fahrt im Autozug ist, es hat auch etwas Kultiges, in Altona quer durch die Bahnhofshalle zu fahren. Das ist jedesmal wieder ein besonderer Moment. In 20 Jahren glaubt einem das kein Mensch mehr, wie es dort mal war.

Das mit dem Meilenstein am Rondeel hab ich nicht gewusst. Ich bin da all die Jahrzehnte achtlos dran vorbeigefahren. Es ist wohl der Blick von außen, der da die Sinne schärft. Oder der Blick in den Reiseführer, was man für Zuhause ja selten macht. :-)

Viel Spaß morgen beim Jokertag :-)))

Antw.:Autozug

An dem "Kultig" ist schon was dran. Für uns immer ein besonderer Moment, wenn nach all em Stress und der Anspannung die ganze Nervosität abfällt und wir bei Köz Urfa Kaffee trinken. :-)

Der Blick von außen? Der interessiert mich sehr. Wenn man durchs historische Wien geht - mit den Augen eines Touristen, derer wir im Sommer einige Millionen haben - kommt man drauf, wie schön das eigentlich ist.

Euren Meilenstein haben wir schon oft bewundert! Und ich hab mal versucht, alle Meilensteine bis Hamburg zu fotografieren. Uralte wichtige Straße!
Solche Gschichterl regen doch ziemlich meine Phantasie an.

Du hast es gelesen?! Na wenigstens irgendwer hier, der sich für die Infobox und Kultur/Geschichte interessiert. :-)))))

Antw.:Antw.:Autozug

Österreich war beim ersten Besuch vor einigen Jahren schon sehr anders. Etwas fremd und zugleich so vertraut, und die Menschen waren sehr freundlich, denen ich begegnet bin.
Nur was zum Henker sind Puntigames? Ich dachte zuerst an einen Sportwettbewerb, irgendwelche Sporty-Games, aber war ganz was anderes.
Wo ist eine Infobox, wenn man mal eine braucht?

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zuletzt aktualisiert am 13.10.2024