6. Tag: Molfsee - Kiel (Color Line)

Es ist Dienstag, der 4.6. und wir sind früh aufgestanden. Unser Zeug ist schnell zusammengepackt und um 8:15 stehen wir schon beim gut gefüllten Frühstücksbuffet. Viele Tische sind gedeckt und große Thermoskannen mit Kaffee warten auf Langschläfer. Wir sind ein wenig aufgeregt, denn heute startet unser Abenteuer erst so richtig! Aber zuerst einmal gut frühstücken.

Als wir die Packrollen auf die Motorräder zurren, fängt es ganz leicht zu nieseln an. Der strahlend graue Himmel stört uns nicht, denn ist es bei 16°C ganz angenehm. Für den kurzen Weg zum Norwegenkai (allein der Name ist pure Urlaubsstimmung!) stecken wir uns die JBL-Earbuds an. Googlemaps wird uns den Weg weisen, denn - obwohl wir Kiel schon ein wenig kennen - von dieser Richtung fuhren wir noch nie in die Landeshauptstadt.

Es ist 10:45, als wir den lieben Leuten vom Catharinenberg ein letztes Mal winken ("Wi bedankt uns for juun Besöök! Up Weddersehen! Kiekt mal wedder in!") und auf der Hauptstraße nach Kiel hineinrollen. Nur ein paar Mal um die Ecke - schau, da ist der Louis, da waren wir schon mal! - und nach nur 15 Minuten Fahrt tuckern wir zum kleinen Schalter der Color Line. Die "Color Magic" dominiert die Szenerie, sie ist wohl höher als alle Häuser im Westen Kiels!

Das Einchecken geschieht in Sekundenschnelle und schon haben wir die Bordkarte in der Hand, die uns später eine der 1.016 Kabinen öffnen wird. Um 11:05 stellen wir uns in der Wartespur auf. Unzählige Autos, Wohnmobile und auch einige Motorradfahrer sind schon da und warten geduldig aufs Boarding. Immer wieder nieselt es leicht, aber hier gibt es genug Möglichkeiten, sich kurz unterzustellen.

Obwohl manch einer der Fahrer und Sozias ab und zu verstohlen auf unsere Transalps guckt - so viele gibt es noch nicht davon auf den Straßen - bleibt jeder lieber für sich. Wir wundern uns. War das früher nicht anders? Es ist für uns ungewöhnlich und ein wenig schade, stehen wir doch alle am Beginn einer großen Reise...

Die Aufregung ist längst lähmender Langeweile gewichen, als es um 12:15 endlich losgeht! Im Schritttempo paddeln wir am Bordkarten-Schalter vorbei und zeigen das Papier vor. Wir werden lässig ohne Kontrolle weitergewunken und rollen langsam mit den anderen Motorrädern vor die geöffnete Heckklappe der Fähre. Die Color Line ist die weltgrößte Autofähre und wenn man so davorsteht, verschlägt es einem den Atem ob der schieren Höhe!

Der Niesel ist längst von strahlendem Sonnenschein abgelöst, als wir den Leuten von "Sartori & Berger - Security" beim Verladen unzähliger LKWs zuschauen. Die Motoren haben wir schon lange abgestellt.

Wie lange dauert das denn noch? Hier gibt es keinen Schatten und wir Motorradfahrer brüten in der dunstigen Hitze. Einer nach dem anderen zieht seine Jacke aus, Handschuhe, Helm, Pullover, alles zu warm! Und die Verladung nimmt kein Ende! Warum - um Himmels Willen! - durften wir nicht in der schattigen Wartespur warten, wenn hier nichts weitergeht!?

Unmut regt sich unter den Motorradfahrern, es fallen die ersten unfreundlichen Worte, als der junge aber autoritäre Verlademeister um 13:35 und nach fast 1,5 Stunden endlich den Weg freigibt. In kleinen Gruppen entern wir den Schiffsbauch und sofort geht es eine steile Rampe hinauf. Oh! Kopf einziehen! Wir haben ganz vergessen, wie niedrig die Verladezone für Motorräder ist!

Die ausgesucht höflichen Arbeiter drücken jedem von uns einen nagelneuen Zurrgurt in die Hand. Wir amüsieren uns über jene Motorradfahrer, die nun eilig ihre eigens mitgebrachten Gurte aus dem Gepäck fummeln. Warum macht man das bloß? "Better safe than sorry?" So ein Ding wiegt ja auch und auf keiner einzigen Fähre in Europa bestand bisher die Notwendigkeit eigener Ratschengurte.

Wir bemühen uns nicht sonderlich, unsere Transalp festzubinden. Erfahrungsgemäß wird das sowieso von den Profis an Bord nachbearbeitet, wenn tatsächlich Sturm aufzieht. Was haben wir schon oft gestaunt, wenn frühmorgens doppelt bis dreifach so viele Ratschen zu öffnen waren, als wir hinterlassen haben!

Jetzt schnell noch ein Foto vom Schild "EXIT A2 DECK 4 - Lift 6/7" (wer jemals auf so Riesenschiffen den richtigen Ausgang und sein Motorrad gesucht hat, weiß warum!) und schon eilen wir zu den güldenen Panoramaliften Richtung Deck 9. Wir werfen unser Zeug aufs Bett in der Kabine 9427, freuen uns kurz über das schöne Zimmer mit Aussicht auf die Einkaufspromenade und eilen auf Deck 12, aufs Freideck!

Kaum haben wir bei dem kleinen Kiosk unser Boarding-Bier bestellt und einen Platz an der Reling gefunden, brüllt der Typhoon über unseren Köpfen 3x zum Abschied von Kiel! Fauchend fährt der erste schwarze Dampf aus dem Schlot und mit fast unmerklichem Zittern legt die "Color Magic" um Punkt 14:00 ab.

Wir oft haben wir in den letzten Jahren dieses Dröhnen über Kiel gehört und uns sehnsüchtig angeschaut: "Die fahren jetzt nach Norwegen!" Aber heute stehen wir selbst an Deck und sehen die Stadt langsam an uns vorüberziehen.

Aufgeregt deuten wir auf viele Gebäude, die uns an wunderbare Tage in Kiel erinnern. Schau! Das Rathaus, die Nikolai-Kirche! Dort ist unser Hotel, oder? Das Schifffahrtsmuseum mit der Hansekogge davor! Weißt du noch? Und da drüben das Ehrenmal von Laboe und das U-Boot!

Die monströse Fähre schiebt sich mit 42.000 Pferden aus der Kieler Förde. Vorbei am Fischrestaurant Gosch, das es nicht mehr gibt (und dem wir aus sentimentalen Gründen nachweinen!) und der Schleuse, wo der Nord-Ostsee-Kanal beginnt. Weißt du noch, die tolle Doku über den Kanalbau?

Als wir den Leuchtturm Friedrichsort und somit die engste Stelle der Kieler Förde passieren, trinken wir den letzten Schluck Bier. Ab jetzt gehts hinaus auf die Ostsee! Die Color Line wird jetzt auf rasante 41 km/h beschleunigen. Schauen wir uns mal im Schiff um, ob es noch alles gibt, was wir 2017 so schön gefunden haben? Achtung, nicht vergessen das Handy auszuschalten! Netze auf hoher See wie "Telenor Maritime" sind unfassbar teuer.

Eine Einkaufspassage, acht Restaurants, ein Irish-Pub, Spa und Fitness, ein Nachtclub, ein Casino und vieles mehr machen die weltgrößte Autofähre zu einem richtigen Kreuzfahrtschiff! Die vom Computer gesteuerte Lichtstimmung spielt Sonnenschein und man vergisst beinahe, auf einem Schiff zu sein!

Wir schlendern staunend auf Deck 7 herum und gucken in alle Geschäfte, bevor wir uns im "Orient Café" ein Krabbensandwich kaufen und uns ausrasten. Im Pub "The Monkey" darf man noch rauchen? Unglaublich! Wir gönnen uns zur Zigarette dort noch leckeren Apfel-Cider, bevor wir wieder aufs Freideck hinauffahren. Alkohol ist an Bord erstaunlich günstig! Beide Fläschen zusammen um nur 13.- ist ein tolles Angebot!

Es ist gegen 18:00, als wir die mächtige Storebælt-Brücke unterqueren! Wie winzig die Autos da oben aussehen! Diese Brücke sind wir schon so oft gefahren, sie verbindet auf 7 km Länge die dänischen Inseln Fünen und Seeland. Die Pylonen sind mit 254 m Höhe sogar der höchste Punkt Dänemarks! Wir zücken unseren neuen Mini-Feldstecher, um etwas von Dänemark zu erkennen, aber das Land ist schon zu weit entfernt...

Ein, zwei Gläschen Wein später, schreiten wir gemessenen Tempos zum "Grand Buffet" auf Deck 6. Der wahre Höhepunkt dieser Schifffahrt ist nämlich das legendäre skandinavische All-You-Can-Eat-Buffet, das mit meterlang aufgebauten Spezialitäten lockt! Natürlich haben wir das bereits bei der Buchung angeklickt! Es ist Punkt 20:00 und wir bekommen einen wunderschönen Tisch und können es kaum erwarten!

Der bärtige Künstler spielt romantische Weisen am Klavier, das Licht ist sanft gedimmt und die weißen Tischdecken erzeugen ein elegantes Ambiente, als wir - eher flott als elegant - an den langen Buffetreihen vorbeistiefeln und unsere Teller beladen. Wie immer gehen wir planlos vor und häufen einfach aufeinander, was vielleicht gar nicht zueinander passt. Dabei gäbe es sogar Profi-Tipps, wie man das hier richtig macht! Ein Gläschen spanischen Sauvignon Blanc dazu? Ja bitte!

Zwei Stunden später sind wir vollkommen erledigt. Allein das Dessert-Buffet sprengt alle Möglichkeiten, was Mensch auf einmal essen kann! Wir streunen wieder ins Irish Pub. Ein Gute-Nacht-Whisky wäre klasse! Der kostet auf dem Schiff nur 8.- für den Doppelten, das ist doch erstaunlich günstig.

Im "Monkey´s" spielt jetzt ein sympathischer Typ auf seiner Gitarre und - wow! - Gänsehaut, als er mit seiner geschulten Reibeisenstimme intoniert: "On a dark desert highway, cool wind in my hair....." ! Wir nippen am irischen "Wasser des Lebens" und lauschen eine Zeit lang. Ein vollkommener Moment, nichts weniger.

Es ist schon 23:00, als wir nach einem Deckrundgang in unsere schöne Kabine stapfen. Bei dieser Fahrt haben wir aus dem Fenster beste Aussicht auf die Einkaufspromenade und eine gratis Mini-Bar! Bevor wir duschen und schlafen gehen, legen wir noch alles für morgen bereit. Der letzte Blick gilt der Schiffsposition am Kabinen-TV. Wenn nichts schiefgeht, sind wir um 10:00 in Norwegen! 

Tageskilometer: 10 km

Hier gehts nach Oslo: >> klick

Die legendäre Color Line!

Kreuzfahrt

:-))))))
Die Motorradkulturreisenden auf nobler Kreuzfahrt. So lerne ich eine ganz neue Seite von euch kennen! Danke für die Erzählung.
dlzg
Der rider

Leinen los!

Meine Güte, hast du die Fahrt auf der Color Magic gut beschrieben. Es ist ein wahrlich erhebendes Gefühl, sich an Bord dieses MultiMillionenDollar Schiffs durch die Kieler Förde auf die Ostsee hinauszuschieben.

Die Taufzeremonie der Magic war sagenhaft. Beide Fähren, die Magic und die Fantasy lagen in Kiel nebeneinander, als Veronica Ferres sie getauft hat. Danach haben a-ha auf einer schwimmenden Bühne in der Kieler Förde gespielt.



Gute Reise, ihr Beiden.

Colorline

Hallo Ihr Zwei, auch wenn wir schon so oft mit den ColorLinern unterwegs waren, macht Euer Bericht ganz doll Lust darauf, möglichst bald wieder zu fahren. Es hat einfach was...
Eine der besten Fähren, die es gibt. Da muss auch die Fjordline mit z. B. der Stavangerfjord hintenan stehen.
Schöne Fotos, ich freue mich auf die Fortsetzung. ;-) LG!

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zuletzt aktualisiert am 20.8.2024