14. Tag: Stamsund - Sund - Hamnøy

Boah, haben wir gut geschlafen! Topfit sitzen wir um 8:30 beim Frühstück in unserer kleinen Hütte. Draußen hat es bewölkte 10°C und es ist trocken. Ein überwältigendes Gefühl packt uns. Wir sind auf dem Lofot! Doch wir haben auch Sorgen. Bei der Urlaubsplanung "Eine Woche Lofoten" hatten wir ganz klar diesen einen Tag 2019 vor Augen: Blitzblauer Himmel, strahlender Sonnenschein! Alternativlos. Ein Risiko!

Wird das wieder so? Was, wenn nicht? Können wir mit Schlechtwetter am Urlaubsziel umgehen? Sind wir dann zu enttäuscht? Bei Sturmregen ist dieser Archipel der letzte Platz, wo man sein möchte. Es ist doch am 68. Breitengrad unwahrscheinlich, dass sich unser unfassbares Wetterglück von 2019 eine ganze Woche lang wiederholt, oder?

Extrem kurze Strecken, viel genießen, einiges sehen: So lautet unser Plan! Deshalb haben wir keine Eile, als wir langsam unser Zeug packen, noch einen Kaffee trinken, Fotos machen und um 12:00 vom Platz rollen. Es war schön hier! Tschüss, bis in einer Woche!

Wir cruisen die kleine Landstraße bis Leknes. Hügel voller Nadelwald rund um uns und in Rückspiegel sehen wir noch ein letztes Mal den hübschen, blauen Storfjordvatnet, an dem unser Campingplatz lag. Felswände am Straßenrand zeigen die dünne Erdkrume, mit der das Grün hier sein Auslangen finden muss. Der feine Niesel entlockt uns nur ein höhnisches Grinsen. Da muss schon mehr Wasser, damit unsere Laune absäuft!

Schon weitet sich der Blick und wir gucken auf kahle Bergkuppen, so typisch für Nordnorwegen! Ganz am Horizont spitze Gipfel, die allesamt noch Schnee tragen. Aufmerksam kurven wir über das wilde Sumpfland des Fuglsjøen. Der "Vogelsee" ist bis auf wenige Pfützen ausgetrocknet. Oder er ist Teil eines Fjords, der nur stundenweise vom Meer gefüllt wird? Wer weiß das schon...

Schon sind wir an Leknes vorbeigefahren und halten uns nun an die E10. Wir nehmen die Hauptstraße bis zu unserer Unterkunft! Abermals überqueren wir sumpfiges Marschland und spätestens an der ersten langen Brücke ist klar, dass dies ringsum keine Seen sind, sondern Ausläufer verzweigter Fjorde. Die Uferlinie lässt deutlich den Tidenhub erkennen.

Das Land ist flach und gesäumt von hohen Bergen. Die ersten roten Häuschen, die so typisch für die Lofoten sind! Wir machen mal Fotopause. Dieser kleine Parkplatz ist uns gut bekannt! Hier bei Skreda fand Angelika mal einen ganzen Stockfisch und wäre er nicht so schwer (und stinkig!) gewesen, sie hätte ihn auf ihre Transalp geschnallt und mitgenommen.

Überhaupt haben wir viele Plätze schon erkannt und das freut uns sehr! Was für ein erhebendes Gefühl, wenn man sich am Ende der gewohnten Welt schon so gut auskennt! Auch wenn sich manches verändert hat. Jetzt gibt es in Skreda fixe Sitzplätze, Tische, WC. Und viel mehr Wohnmobile.

Obwohl die Berge bis tief herunter nebelverhangen sind, wird die Landschaft aus dunklen Felswänden, tiefen Fjorden und bunten Holzhäuschen an weißen Felswänden mit jedem Kilometer malerischer! Schon sind wir durch den kurzen Napp-Tunnel gebollert. Den Unterwassertunnel finden wir heute weit weniger gruselig als 2019, doch damals waren wir vermutlich von vorher erlebten Grauslichkeiten wie dem alten Ibestad-Tunnel verstört.

Da vorne ist eine Abzweigung nach Nusfjord! Wollen wir mal schauen? Wir biegen schwungvoll links ab ... und drehen nach ein paar hundert Metern um. So sehr uns der winzige Track und die hohe Felswand da vorne locken, es beginnt wieder heftig zu nieseln. Was immer in "Nusfjord" ist, wir verschieben das auf einen anderen Tag mit besserem Wetter. Es ist wunderbar, Zeit für sowas zu haben!

Nun legt die Gegend noch einen Zahn zu. Die Berge werden felsiger und die Felswände stürzen mitunter senkrecht ins Europäische Nordmeer, dessen unzählige Fjorde wir einen nach dem anderen umrunden. Ramberg! Der weiße Badestrand ist berühmt fürs Kite-Surfen und andere Sportarten.

Bei trüben 12°C sehen wir einige Leute im Nordmeer schwimmen, interessiert beobachtet von anderen in wind- und wetterfestem Outfit. Während unserer Pause pfeift uns ein scharfer Wind um die Ohren, wir lassen den Helm lieber auf. Schwimmen gehen? Meine Güte!

Gemütlich und aufmerksam kurven wir das Meer entlang und schauen hinauf auf die kahlen Gipfel. Eine tiefe innere Freude bemächtigt sich unser. Oh, die ersten Stockfisch-Gestelle! Diese hölzernen Trockengerüste sind so typisch für die Lofoten! Doch anders als damals Anfang Juni 2019 sind die "Stokker" heute leergeräumt. Heute ist der 12. Juni. Ist die Kabeljau-Saison heuer schon so früh vorbei?

In Gedanken versunken cruisen wir die Wasserkante entlang. Ein Fjord geht in den nächsten über und da vorne ist schon die malerische Brücke bei Mørkveden. Wir sehen die raue Felswand, in die jemand in archaischer Art und Weise "SUND GJESTESTUER" gemeisselt hat. Halt! Wir müssen hier links ab! Ein kleines Schild weist den Weg: "Smeden i Sund". Wir haben diesen Schmied in einer TV-Doku gesehen und wollen ihn unbedingt kennenlernen!

Langsam und aufmerksam rollen wir die drei Kilometer bis nach Sund, wo der Weg an der Küste endet. Wir zirkeln zwischen hohen Felswänden durch und bewundern den ruhigen Fjordarm, der sich tief ins Landesinnere zieht. Meine Güte, die winzigen roten Häuschen, die hier an der schmalen Uferkante kleben! Eine kleine, abgeschiedene Welt.

Als sich der schmale Weg zu einem kleinen Platz weitet, halten wir an. Hier muss es sein! Wir stellen die Transalps an den Wegesrand und steigen ab. Ohrenbetäubendes Stampfen lässt den Platz erzittern! Bitte wo kommt das her?! Der brachiale, rhythmische Lärm passt so gar nicht zu der Totenstille rundherum und dem winzigen Hafen, in dem vertäute Boote sanft auf und ab schaukeln.

Didi entdeckt sowas wie ein Café, wo man um kleine Münzen Tickets bekommt und sich Kaffee und Kuchen nehmen darf. Alles sehr einfach und selbstgemacht. Klasse! Während die Luft vom gleichmäßigen Dröhnen bebt, lassen wir im Freien stehend und mampfend die Szenerie auf uns wirken. Schau da drüben ist die Schmiede!

Info: Der Schmied in Sund

Die 1947 vom 30jährigen Hans Gjertsen gegründete Schmiede ist eine der ältesten Touristenattraktionen der Lofoten. Im Jahr 1963 wurde die E10 eröffnet und der Schmied als Teilnehmer an der königlichen Zeremonie abgelehnt. Doch der geschäftstüchtige Mann schrie aus Leibeskräften aus der Menge: "Entschuldigung, König! König?! Darf ich Ihnen einen Kormoran schenken?!"

Der König nahm den geschmiedeten Kormoran gerne und der Schmied war eine Berühmtheit. 40 Jahre nach der Gründung der Schmiede nahm der mittlerweile 70jährige Schmied einen Lehrbuben, dem er zutraute, sein Werk fortzuführen: Tor-Vegard fing 1987 als Schmied in Sund an. Noch 20 Jahre arbeiteten sie gemeinsam, bis der alte Schmied 90jährig verstarb und Tor-Vegard den Betrieb übernahm.

In der Schmiede wird ausschließlich mit original-historischen Maschinen und Methoden gearbeitet. Die Kormorane sind für Touristen, aber hier werden auch Glocken, Werkzeug, Landmaschinen, Ketten, Türschlösser für den Alltagsbedarf hergestellt und repariert.

Tor-Vegard verbrachte einige Zeit bei uns in Österreich, unweit von Didis Zuhause, und lernte bei einem Schmied die Restaurierung alter Schlösser für Kirchenportale. Er beschrieb voller Hochachtung die Kunstfertigkeit des oberösterreichischen Arbeitskollegen!

Wir nähern uns respektvoll der kleinen Türe, aus dem dunklen Inneren leuchtet roter Feuerschein und beißender Rauchgeruch quillt heraus. Ein Schmied hämmert konzentriert mit kräftigen Schlägen auf sein Eisen, Feuer lodert, Funken sprühen! Er bemerkt uns und deutet wortlos auf die Kopfhörer, die an der hölzernen Wand hängen. Oh danke!

Der rotwangige, knorrige Mann im Lederschurz bearbeitet mit Bärenkräften und gleichzeitig großer Zartheit seine Kunstwerke, die er in kurzen Abständen immer wieder in den Feuerkessel taucht. Ein urtümlicher Anblick! Für die gröberen Arbeiten wirft er seine uralten Maschinen an. Raumhohe, fauchende Ungetüme mit Ketten und Hämmern. Ein Dieselaggregat in der Ecke treibt die stählernen Monster an, die mit unwahrscheinlichem Lärm das Eisen zerstampfen.

Wir hören gerne seine Geschichten, während er mit seinen groben Händen filigrane Kormorane schmiedet. Arbeitet er nur für Touristen? Nein, die uralte Schmiede ist sein Lebenswerk, seine Mission, seine Leidenschaft! Wir sind voller Bewunderung für diesen Mann, der hier am Ende der bekannten Welt sein Glück schmiedet.

Wir bedanken uns höflich fürs Zuschauendürfen und spazieren hinüber zu der winzigen Hütte mit dem selbstgemalten Schild "Thor´s Glass". Oh, Angelika gehen die Augen über, als sie die Schmuckstücke sieht, die der rotbärtige Thor hier vor aller Augen herstellt. Sand und Kristall und Gold von den Lofoten, zusammenfügt in phantasievolle Pretiosen! Sie schlägt sofort zu und schenkt sich selbst eine Erinnerung. Wir werden den urigen Thor und seine Geschichte nicht vergessen!

Natürlich gucken wir auch in die Hütte mit den stampfenden Dieselmotoren, die hier die Gegend erzittern lassen! Über hundert Jahre alte Bootsmotoren sind hier ausgestellt und tatsächlich ist ein besonderes Exemplar in Betrieb und dröhnt im Rhythmus der uralten Steuerkette.

Auch das kleine private "Fiskerimuseum" schauen wir uns an. Eine historische Rorbuer, angeräumt und vollgestopft mit den absonderlichsten Merkwürdigkeiten lofotischen Fischerlebens, die irgendwann einmal für jemanden wertvoll waren. Staubige Walknochen, getrocknete und grauenhaft aussehenden Fischmonster, Möbel, zusammengewürfeltes Inventar, Kleidung und eine uralte Fischer-Orgel, auf der Didi sofort ein paar Weisen klimpert. Diese 140 Jahre alte Fischerhütte hat nichts mit den an Touristen vermieteten "Originalen Rorbuer" zu tun!

Hier gedenkt man auch eines wichtigen Ereignisses! 1936 wurde vor Sund ein 14 Meter langer Wal erlegt, der die Dorfgemeinschaft mit 14 Tonnen Fleisch und 8 Kilo Fett versorgte. Eine Menge Essen für die Bewohner! Zwei meterlange Rippen hat man hier zur Erinnerung aufbewahrt.

Jetzt gibt es nichts mehr zu tun und nach einem langen Blick auf die kleine wundersame Welt von Sund machen wir uns wieder auf den Weg. Wir haben das Gefühl, auf den Lofoten angekommen zu sein. "Los, fahren wir nach Hause!"

Es sind nur mehr wenige Fahrminuten bis ins szenische Zentrum der Lofoten, jener Region des Archipel, die jeder Tourist sucht und von Fotos kennt, die Region der berühmten View-Points. Die Gegend wird pittoresker, die Berge höher und schon halten wir am Parkplatz "Akkarvikodden" und schauen hinüber auf das Inselchen Hamnøy. Dass wir uns zwischen dauerparkende Wohnmobile quetschen müssen, gibts uns nicht zu denken. Noch nicht...

Der Himmel ist trüb und wolkenverhangen, als wir die letzten Meter auf die Insel Hamnøy kurven. Vor der Brücke ´rüber nach Sakrisøy rechts ab! Schon halten wir vor dem repräsentativen "Manor House", dem größten Gebäude zwischen den roten Fischerhütten. Es ist 14:00 Uhr.

Die Transalps parken auf dem schmalen Grünstreifen vor dem Haus. Die netten Menschen hier haben zugestimmt, dass sie dort sicher stehen! Wir betreten unser Zimmer "Vestfjorden". Es ist ein Traum! Geräumig, hübsch eingerichtet und der Ausblick erst!

Der Blick geht direkt auf die Terrasse und hinüber zur berühmten Brücke, einem der bekannten Fotopunkte der Insel. Wir sind sprachlos und lassen die Szenerie erst mal wirken.

Später tuckern wir über die Inseln Hamnøy und Sakrisøy hinüber nach Reine. Zwei hohe Brücken trennen uns vom COOP, wo wir ein paar Sachen für die nächsten Tage einkaufen! Drei Inseln auf drei Kilometer! Wir knipsen was das Zeug hält. Den Anblick glaubt uns doch sonst keiner?

Es ist eine grandiose Umgebung. Vollkommen irreal! Die Felsen, die Farben, die unzähligen Schären, auf die die Straße gebaut ist. Die hohen Berge, dazwischen das tiefe Nordmeer. Ist es der schönste Platz der Welt? Sehr gut möglich!
Und inmitten dutzender Stockfisch-Stokker und roten Rorbuer unser hübsches Zuhause:

Wie toll, dass es nicht mehr finster wird! Nachdem unsere Vorräte in der Wohnküche verstaut sind, stiefeln wir noch ein wenig herum und auf die Nachbarinsel Sakrisøy. Nicht ohne bei "Anita´s Seefood" noch schnell einen aussagekräftigen Fischburger zu verdrücken. Hier gibt es feinstes Essen, Wal-, Rentier- und Elchfleisch, Stockfisch in allen Variationen und außerdem eine Konditorei!

Um Mitternacht wird es ruhig, aber nicht mehr dunkel. Wir sitzen noch sehr lange auf der Terrasse und schauen hinaus aufs Meer. Sechs Urlaubstage im Paradies liegen vor uns. Alle Anstrengung ist vergessen. Wir sind die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten!

Tageskilometer: 72 km (und 7 km zu Fuß)

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Eine kleine wunderbare Welt

grossartig

hallo!
ich lese ab und zu mit bei euch, werde aber nach diesem bericht wohl stammleserin.
grossartig, mit wieviel herzblut und wie liebevoll ihr eure erlebnise beschreibt. man liest es und fühlt es mit.
das geht über die üblichen reiseberichte weit hinaus.
danke dafür und danke für die schönen bilder!
lg martina

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zuletzt aktualisiert am 13.10.2024