12. Tag: Trondheim/Stjørdal - Mo i Rana

Wir sind furchtbar früh aufgestanden, denn auf uns wartet eine lange Etappe. Schon um 7:30 laden wir beim Frühstücksbuffet unsere Teller mit Bergen von Rührei voll und Angelika kapert die Platte mit aufgeschnittenen Melonen. Rund um uns bereiten Arbeiter in verschmutzten Klamotten ihren Tag vor, es herrscht ruhige aber geschäftige Stimmung.

Um 8:30 rollen wir langsam vom Parkplatz. Es nieselt nur leicht und es ist bei 10°C gut auszuhalten. Wir haben nur ein Icebreaker-T-Shirt mehr angezogen. Die Akkus der Heizhandschuhe sind voll geladen, aber die brauchen wir vorerst noch nicht.

Wir bleiben heute auf der E6, eine bekannte Strecke. Vielleicht erkennen wir das Ein oder Andere wieder? Ja, genau! Da drüben ist das "Tirpitz Memorial" zu erkennen! Am Ende des Trondheimfjords steht das Kriegsmahnmal, das wir schon 2x ausgiebig besucht haben:

"In Erinnerung an die alliierten Streitkräfte der Royal Air Force, die bei den Angriffen des deutschen Schlachtschiffs Tirpitz im Faettenfjord 1942 getötet wurden. In Dankbarkeit und Verehrung für die,
die ihr Leben für unsere gemeinsame Sache gaben. Errichtet von der lokalen Bevölkerung 1985."

"The Beast" Tirpitz wurde übrigens zwei Jahre später bei Tromsø versenkt. Churchill selbst gab seiner Airforce den Befehl.

Während wir so dahindüsen fällt uns auf, dass die E6 hier komplett neu ist! Bei unserer letzten Fahrt hier sah das alles anders aus: Kleiner, schmäler, kurvenreicher! Ein Blick auf Googlemaps klärt uns auf. Die neue E6 ist hier schon fertig, die "Gamle E6" nur mehr eine kleine Straße nebenan! Nun, so kommen wir vielleicht schneller voran, als geplant?

Wir sehen landwirtschaftliches Gebiet, leichte Hügel und weite Ebenen. Ein bissl wie bei uns daheim, nur die Erdkrume ist hier viel dünner. Oft scheint der nackte Fels durch, vor allem bei den massiven Erdverschiebungen, die der Straßenneubau hinterlassen hat!

Nach etwa 60 km brauchen wir eine Pause. Es hat endlich (endlich!) zu regnen aufgehört, als wir bei Levanger zu einer kleinen Tankstelle rollen. Wir müssen tanken und der 95er-Benzin ist hier mit 1,70/Liter günstig! Außerdem brauchen wir jede Menge Kaffee, wir sind heute so früh aufgestanden! Wir versuchen trotzdem, die Pause kurz zu halten. Ein blödes Gefühl, ein bissl Stress. Es ist 9:15 und wir haben noch so weit zu fahren!

Die nächsten 140 km nehmen wir in einem Rutsch. Die Provinz Trøndelag ist für unsere Augen ziemlich unspekakulär und wir freuen uns über den ein oder anderen See und besonders, als wir den langen Snåsavatnet entlang kurven. Hier hatten wir mal einen tollen Campingplatz! Und in diesen dichten Wäldern unsere - in bisher vier Norwegenreisen - einzige Radarmessung der Polizei. Die Bußgelder sind ein guter Grund, sich hier an die Regeln zu halten!

Kurz vor Grong, wo die beiden Lachsparadiese Namsen und Sanddøla zusammenfließen, sehen wir links die große Raststation. Wir wedeln einander mit den Armen. Weißt du noch?! Hier retteten wir uns ins Trockene, als wir 2019 auf der Heimreise im Starkregen fast abgesoffen sind. Hier gab es eine leckere Tomatensuppe zum Aufwärmen!

Wir hängen unseren Gedanken nach. Wir erinnern uns an die unbändige Vorfreude aufs Nordkapp, als wir am Camp in Grong übernachteten und dann bewunderten, wie der geschäftstüchtige Campingchef gegen Gebühr feststeckende Wohnmobile mit seinem Traktor aus dem Schlamm zog. Damals vor 7 Jahren waren wir von den absurden Lebensmittelpreisen bei SPAR schockiert. Heute fällt uns der Einkauf eindeutig leichter. Times they are a´changin...

Auch das Wetter ist heute besser! Uns scheint, als käme trüber Sonnenschein heraus, als wir um 12:00 in Harran bei CircleK Anker werfen. Mittagspause! Wir haben schon 190 km geschafft! Während wir mit Blick auf eine Gruppe Campinghütten einige heiße Hotdogs mampfen und dazu süßen Kakao aus dem Jahresbecher schlürfen, schütteln wir unsere steifgewordenen Beine aus. Puuuhhh, das hängt sich rein heute!

Nun geht es durch das Namdalen, eine unglaublich einsame Gegend! Die enge Straße schlängelt sich kurvenreich den Namsen entlang. Dieser lachsreichste Fluss Norwegens ist insgesamt 228 km lang und unzählige Fischer stehen in wasserdichter Ausrüstung in den Stromschnellen und hoffen auf ihr Glück. Anglerlizenzen kann man hier auf jedem der vielen Campingplätze kaufen!

Wir haben das Regenzeug nicht ausgezogen und schauen mißtrauisch immer wieder zum Himmel, der sich heute unzuverlässig gibt. Möge es noch ein wenig aushalten! Die nächste Pause haben wir an einem wahren Sehnsuchtsort vereinbart!

So lassen wir die Transalps einfach 80 km dahinlaufen. Immer neben dem Namsen, der mal breit und ruhig, mal schmal und spritzig in seinem Bett dahinfließt. Eine unaufgeregte Gegend, sehr einsam! Nadelwälder vor kahlen Bergkuppen. Die Baumgrenze endet in Norwegen schon bei wenigen hundert Höhenmetern.

Wir brausen am grellbunten Familypark von Namsskogan vorbei. Wie jedesmal befinden wir, dass der mit seinen lauten Kinderattraktionen so gar nicht in diese Einöde passt. Aber Achtung! Da vorne ist es schon! Mit zusammengekniffenen Augen erkennen wir das bekannte "Nordlandporten" und steppen ein paar Gänge herunter. Schwungvoll nehmen die Einfahrt zum Parkplatz und finden ein freies Fleckchen am Rand.

Was das Tor mit der Aufschrift "Nord-Norge" kann, fragt ihr? Nun, für uns bedeutet die Grenze zwischen den Provinzen Trøndelag und Nordland, dass wir ab nun "im echten Norden" sind. Dass wir es so weit geschafft haben! Vor einigen Jahren gab es hier nur Kaffee aus dem Pappbecher, mittlerweile ist hier ein Touristen-Hotspot entstanden, mit Shop, samischen Spezialitäten, Restaurant, Tourentipps und mehr.

Wir stehen am Parkplatz und beobachten das Treiben. Während manche ihre Kühlboxen mit Jause aus dem Auto zerren, klappt der Typ in Flanell eine vollautomatisierte Bordküche aus seinem Pick-Up. Mit Grill, Vorratskammer und Geschirrspüler! Wir versuchen, mit betont cooler Miene unser Staunen zu verbergen, während er Fleisch mariniert und beginnt, Gemüse klein zu schnippeln.

Es ist schön, so bekannte Flecken in "Far far away" wiederzusehen und deshalb freuen wir uns jetzt auf einen lauwarmen Apfelkuchen bei Trixie in Trofors! Wir klettern auf die Transalps und weiter gehts. In weiser Voraussicht haben wir allerdings unser Regenzeug wieder angezogen. Wer weiß, ob der Himmel noch länger dicht hält?

Nein, tut er nicht. Schon kurz später schüttet es abschnittsweise in Strömen und die Straße schwimmt davon! Wir klicken auf den RAIN-Modus unserer Transalps. Mit nur ¼ Power dafür voller Traktionskontrolle geht es schwerfällig weiter. Die Mega-Baustellen mit ihren gigantischen Maschinen behindern um den Majavatn zusätzlich unser Fortkommen. Alles für die neue E6.

Für 60 km brauchen wir eine Stunde und als wir in Trofors ankommen, ist die Lust auf Trixie´s Apfelkuchen vergangen. Kurze Besprechung unter halbgeöffneten Visieren: Nein, bei diesem Wetter wollen wir nicht stehenbleiben und es uns gemütlich machen! Wir haben schon 300 km hinter uns. Schaffen wir es bis Mosjøen?

Bei Düsternis und herunterprasselndem Regen erreichen wir um 16:00 die CircleK-Tankstelle in Mosjøen. Mosjøen! Hier waren wir schon zwei Mal, einmal sogar bei Hochsommer. Heute haben wir nicht einmal Interesse an den bunten Häuschen der Sjøgata. Irgendwo auf unserer Website finden sich eh schon Fotos davon.

Zwei Tankfüllungen (2,20/Liter) später hocken wir im grellen Licht der Ess-Ecke der Tankstelle und mampfen Hotdogs. Wir haben letztens diese Grillburger-Würstl für uns entdeckt, sozusagen fein gewürzte Ćevapčići! Dazu gratis Kaffee und Kakao, soviel wir schaffen. Wir brauchen Kraft und Energie! Neben uns zwei vollkommen durchnässte Holland-Biker, die stumm und stoisch ihre Pommes essen. Man nickt sich schweigend zu und lässt einander in Ruhe. Irgendwie hat gerade jeder mit sich selbst zu tun.

Angelikas Frage nach dem guten Schloss-Öl verneint der Typ an der Kassa: "Nein, das verkaufen wir nicht im Sommer." "Sommer?!" "Sommer." Angelika schaut ihn an. Es hat genau 6°C.

Los, komm! Fahren wir weiter! Wir brausen weiter durch den Regen, der unablässig auf unsere Helme trommelt. Es. Ist. So. Mühsam! Die schöne Straße über das Korgsfjell haben wir geistig bereits gestrichen. Bei dem Wetter vollkommen sinnlos! Dabei hätte wir so gerne das "Blutstraßenmemorial" besucht! Vielleicht an einem anderen Tag.

Info: Blutstraße

Das NS-Regime hatte ab 1942 vor, eine Straße durch ganz Norwegen zu bauen. Dafür wurden auch jugoslawische Zwangarbeiter missbraucht. Obwohl die einheimischen Norweger unbemerkt und unter Lebensgefahr halfen, wo sie konnten, starben auf dem Korgfjellet 640 Männer beim Bau dieser Straße oder in den Arbeiterlagern.

Auf dem Fjell wurde 75 Jahre später eine Gedenkstätte errichtet, die an die Gräuel dieser Zeit aber auch an die damals entstandene Freundschaft zwischen Norwegen und (dem ehemaligen) Jugoslawien erinnert.

Doch was ist da vorne?! HALT! Vollkommen ohne Vorwarnung schleifen wir die Transalps auf Null. Eine Straßensperre verbietet die Weiterfahrt! Rot-weiße Balken versperren die E6 gen Norden. Wir schauen uns entsetzt durch die verregneten Visiere an. Was jetzt? Müssen wir zurück und doch übers Fjell? Angelika entdeckt da hinten ein paar Arbeiter in leuchtend orangen Regenkombis und kurvt entschlossen hin.

Sie brüllt die Arbeiter durchs offene Visier an, um den Lärm von Transalps und Baumaschinen zu übertönen. Wo gehts da weiter?! In gebrochenem Englisch erklären die knorrigen Männer, mit den Motorrädern könnten wir problemlos weiterfahren. HÄH? Haben wir richtig verstanden? Durch den gesperrten Tunnel?

Wir haben schon viele Grauslichkeiten in Norwegens Tunnels erlebt und unterm Berg ohne Asphalt, mit Furten, undichten Tunneldecken und unbeleuchtet, kann sehr unangenehm sein! Aber jetzt muss es sein. Wir fahren durch! Koste es, was es wolle! Didi gibt das Führungsfahrzeug.

Mit einem richtig schlechten Gefühl tuckern wir unsicher in den abgesperrten Tunnel. Es ist einspurig, schmal und finster. Hoffentlich haben wir die Arbeiter richtig verstanden und es erwartet uns keine böse Überraschung im längsten Tunnel der E6! Doch ganz plötzlich sind die düsteren 8,6 km vorbei und wir fahren durch die Wasserwand des Starkregens wieder ins Freie.

Es bleibt ungeklärt, warum Didi unmittelbar nach dem Tunnel in den Ort Korgen abbiegt. Doch - nachdem wir auf desolaten Straßen herumgekurvt sind - entdecken wir eine CircleK-Tankstelle! Die kommt in dem ganzen Unwettermalheur wie gerufen! Wir eilen ohne Verzögerung hinein. Weil wir heute schon zuviele Hotdogs hatten, bestellen wir eine große Portion Pommes. Alibihalber. Wir wollten einfach nur kurz aus dem Regen raus!

Es ist spät geworden und langsam wird es dunkel. Der Polarkreis ist schon nahe und richtig finster wird es hier nicht mehr. Wir sind schon 10 Stunden unterwegs und haben ziemlich genug von allem. Die letzten 40 km düsen wir so schnell es bei diesem Wetter geht Richtung Mo i Rana. Den wunderschönen Ranfjord nehmen wir nur mehr aus den Augenwinkeln wahr.

Um 18:45 rollen wir vor den Eingang unseres kleinen Motels. Es regnet ohne Unterlass, während wir müde unsere Packtaschen von den Sitzbänken pflücken und einchecken. Der Typ am Tresen ist jedoch so herzlich und so fürsorglich, dass wir uns augenblicklich besser fühlen! Es gibt nichts zu essen hier, also nehmen wir zwei große Bier, die die Urlaubskasse um 21.- erleichtern. Wir verbringen einen gemütlichen Abend mit heißer Dusche, Bier und Keksen und gehen früh schlafen.
Morgen erwartet uns nämlich ein aufregender Tag! Morgen sind wir auf den Lofoten!

Tageskilometer: 450 km

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It´s a long way...

Nicht bei dem Blick!

<...den Teller mit Bergen von Rührei voll

Yep! So beginnt ein guter Tag. Auch im Reisebericht :-)

Sie bauen die E6 immer besser aus, wobei "besser" nicht unbedingt besser ist, wie ich finde. Mich würde interessieren, wie viele Wohnmobile dort im Sommer wohl durchfahren.

Das Foto von Geli und ihrem Hotdog. Ich glaube nicht, dass sich jemand getraut hätte, dir den wegzunehmen. Oder, ob er mal abbeißen darf. Nicht bei dem Blick! :-)))

Das Regenfoto durch die Scheibe der Honda mit Blick auf Circle-K ist klasse! Es fängt die Stimmung wunderbar ein, die miese Stimmung, in der man automatisch ist. Uff...

Diese "Riesenportion" Pommes ist so typisch für Norwegen. Aber kosten wie die Großen...

Diesmal hab ich richtig mitgelitten an diesem langen, nassen Reisetag. Hoffentlich wirds morgen wieder besser.

Drück euch
Svenja

foto

mir wird schon beim lesen kalt. :-) ich mag das foto mit dem nassen windschild und dem verschwommenen tankstellenlogo! es drückt am besten aus, wie die situation wohl war.
lg TinA

Norwegen

Hallo ihr Beiden!
Wir hätten im Juni ungefähr zur selben Zeit wie ihr eine Runde zum Nordkap geplant, aber wegen der Wetterprognosen im Süden haben wir dann nach Schweden gewechselt.
Alle Achtung, dass ihr das durchgezogen habt!
LG Tom

Danke

für diesen Bericht! Ja das ist auch Norwegen, davon berichten die wenigsten. Nicht gerade tauglich für die Reiseführer von TUI und Co.
Aber danke fürs Erzählen, man fühlt richtig mit!
LG Micha

:-))))))

Hallo! Na das war ein Tag. Ist das eigentlich noch Urlaub?
Ich weiß nicht, ob ich mit meinem Kumpel da noch weiter gefahren wäre.
Habt ihr jemals ans Aufgeben gedacht?
DlzG
rider

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zuletzt aktualisiert am 13.10.2024