Heute bleiben wir da! Wir haben unfassbar gut geschlafen und nun stiefeln wir ins Erdgeschoss in den eleganten Frühstücksraum. Ein umfangreiches Buffet erwartet uns! Wir halten uns nur soweit zurück, um nicht als unhöflich zu gelten. Wir tragen verschiedene Delikatessen und Getränke zu unserem Tisch und Angelika backt begeistert frische Waffeln. Nur das Angebot an verschiedenen Schnäpsen lassen wir aus. Oh, die Dänen verstehen etwas von Frühstück!
Wir freuen uns auf unseren Tagesausflug! Wir wollen auf der Nehrung Holmsland Klit den Ringkøbing Fjord umrunden und wir haben einiges Sehenswertes auf unserer Karte markiert. Um 11:00 rollen wir mit den Hondas aus dem blumengeschmückten Hinterhof, die Sonne scheint und es hat 20°C. Ein Traumtag zum Motorradfahren!
Wir cruisen träumerisch und voller Vorfreude Richtung Nordsee und haben nichts besonderes im Sinn, als der wunderbare Motorradtag nach 10 Minuten abrupt endet!
Bei Søndervig lenkt eine bizarre Baustelle Angelikas Aufmerksamkeit auf sich und sie übersieht im Kreisverkehr der Baustellenzufahrt einen Schmierfett-Klumpen, den ein Fahrzeug hinterlassen hat. In Kombi mit Einlenken, Bremsen und Kreisverkehr eine blöde Sache! Schneller, als sie "F*ck!" fluchen kann, liegt sie auf der Straße und die Transalp mitleidserregend kopfüber neben ihr. Was für ein Schreck!
Sie rappelt sich fluchend wieder auf und schon eilen ein paar hilfsbereit-besorgte Dänen herbei und richten gemeinsam mit Didi das Motorrad wieder auf. Während Angelika ihre Knochen durchzählt, zerrt Didi mit aller Kraft den Sturzbügel wieder in die korrekte Position und untersucht die Transalp nach weiteren Schäden. Aber nichts scheint gebrochen, weder bei Angelika noch bei ihrer Honda. Alles ist gut, oder? (Dass Didis Action-Cam auf Dauerfeuer gestellt war und die ganze Misere mitfotografiert hat, werden wir erst abends bemerken...)
Nach einer angemessenen Pause und einer Zigarette gegen den Schreck klettert Angelika wieder in den Sattel und los gehts! Die R181 führt über die schmale Landzuge den Ringkøbing Fjord entlang. Nach nur 10 km biegen wir rechts ein. Wir schauen mal zum Lyngvig Fyr, einem beeindruckenden Leuchtturm!
Schon tuckern wir auf den großen Schotterparkplatz und steigen von den Hondas. Angelika bedeutend schwerfälliger als sonst.
Seit einem fürchterlichen Schiffsunglück vor 115 Jahren steht der schlanke, strahlendweiße Turm hier auf der 17 Meter hohen Klippe. Viele Touristen drängen sich um das kleine Café und den Shop, als wir 8.- pro Person zahlen und uns durchs Drehkreuz winden. 80 Stufen geht es über steile Holzstufen hinauf, bis man auf der Düne am Leuchtturm-Eingang steht.
Während Didi motiviert weitere 230 Stufen bis zur Spitze des Leuchtturms hinaufsteigt und die grandiose Aussicht fotografiert, humpelt Angelika ein paar Mal um den Turm und nimmt die Umgebung in Augenschein (>> Clip). Es ist heiß geworden, heute erscheinen uns auch 23°C beeindruckend sommerlich!
Später klettern wir wieder von der hohen Düne und erfrischen uns mit Rharbarerschorle. Auch ein kleiner Lyngvig Fyr aus Gips für unsere Reisevitrine wandert ins Gepäck.
Wir sollten weiter zu unserem Tagesziel! Die nächsten 35 km erledigen wir in einem Rutsch. Einen Besuch des berühmten Hvide Sande lassen wir vorerst aus. Wegen des Missgeschicks vorher haben wir doch Zeit verloren und Angelika kann mittlerweile kaum noch die Gänge hineintreten: Das linke Sprunggelenk wedelt wimmernd mit der weißen Fahne!
Die Fahrt auf der Nehrung ist weniger beeindruckend, als wir erhofften. Das Meer rechts und der Fjord links sind nicht zu erkennen. Die Landmasse ist doch zu breit und außerdem begrenzen Dünen den Strand der Nordsee.
Die R181 schlängelt sich nahezu schnurgerade dahin und schon kurven wir durch das einsame Vogelschutzgebiet Værnengene. Wir cruisen durch hohes Gras und vorbei an einigen hölzernen Aussichtstürmen zur Vogelbeobachtung.
Schon tuckern wir auf den kleinen Schotterparkplatz beim Wikingermuseum in Bork Havn. Das war leicht zu finden! Wir stiefeln zum hölzernen Eingangstor und zahlen die Gebühr von etwa 30.- für uns beide. Dann spazieren wir durch die hübsche Anlage verschiedener Wikingerhäuser, die wirklich außergewöhnlich aufwändig eingerichtet sind. Was man sich hier für eine Mühe gibt, das Leben der Vorfahren wieder auferstehen zu lassen!
Freizeitwikinger gehen hier ihrer täglichen Arbeit nach, es wird gesponnen, gearbeitet und an offenen Feuerstellen gekocht, um das harte Leben an der Westküste vor 1000 Jahren darzustellen. Uns gefällt der Aufwand, der hier betrieben wird, auch wenn das alles natürlich sehr touristisch ist. Aber das ist heute ok! Wir erinnern uns an "Njardarheimr" am Nærøyfjord in Norwegen, das wir 2018 besucht haben. Auch dort haben wir das bewirtschaftete Wikingerdorf sehr gemocht!
Um 16:00 ist es an der Zeit, zurück zu fahren. Um bei der Wahrheit zu bleiben, Angelika schleppt sich nur mehr fluchend und humpelnd voran und auch das Fahren ist äußerst beschwerlich. Linker Fuß und rechte Hand sind schwer beleidigt - ausgerechnet die beiden braucht man am Motorrad! So ein Mist!
Aber wir halten stur an unseren Plänen fest. Wir können nicht anders! Deshalb bremsen wir nach 25 km auf halber Strecke mitten am Holmsland Klit bei "Abelines Gaard". Diesen uralten Hof sahen wir in einer TV-Doku und nun wollen wir das wuchtige Anwesen aus der Nähe beäugen. Wir holpern über den kurzen Zufahrtsweg und parken die Transalps auf der Wiese.
Die junge Abeline heiratete im 18. Jhdt. den Strandvogt Laurids Jørgen Christensen von Holmsland Klit. Laurids war Polizist, Rettung, Küstenwache und Zöllner in einem - eine äußerst mächtige Person! Der Beruf des Strandvogts war in etwa mit dem des Deichgrafen deutscher Nordseeküsten verwandt.
Abeline verwitwete früh und bewirtschaftete den Hof 53 Jahre alleine, bist sie 1957 hochbetagt verstarb. Der alte Hof ist im Original erhalten und seit langem ein liebevoll gepflegtes Heimatmuseum Westjütlands.
Wir stiefeln in das niedrige Reet-gedeckte Gebäude und erfahren, dass das Freilichtmuseum in wenigen Minuten zusperrt. Dänemarks viel zu frühe Schließzeiten, herrgottnocheinmal! Aber es gibt Entschädigung! Der junge Mann an der Kassa bietet uns frischgebackenen Kuchen und Kaffee an und wir greifen gerne zu! Wir tragen die Leckereien vors Haus und machen es uns auf den schweren Holzbänken gemütlich.
Später setzt sich Marcel zu uns. Jetzt erst klären sich seine perfekten Deutschkenntnisse! Der ehemalige Polizist aus dem Bahnhofsviertel in Leipzig wanderte vor wenigen Jahren hierher aus. Seine kleinen Kinder sollten in einer besseren Umgebung aufwachsen, nämlich auf diesem "anderen Planeten hier"! Wir tauschen lange Erfahrungen aus und wir sind beeindruckt von der Abenteuerlust und dem Mut des jungen Mannes. Wir erfahren viel über dänische Lebensart, Vorzüge und auch Nachteile!
Nach dieser fast freundschaftlichen Plauderei wollen wir endlich zurück. Wir fahren jetzt zügig zurück nach Ringkøbing, wobei Angelika mitunter ohne Schaltvorgang die Gänge wechselt. Ohne Verzögerung entern wir die Apotheke, die glücklicherweise neben dem Hotel liegt, und kaufen größere Mengen aus dem Sanitätsbedarf...
Als wir später wieder im blumengeschmückten Hof des "Cafés Victoria" sitzen (das uns gestern so gefallen hat), ist Angelika großflächig verarztet und ein Eispack kühlt den linken Fuß, der bereits richtig schön bunt wird. Ein "Stjerneskud" hebt die Laune sichtlich und zum späteren Gute-Nacht-Kaffee gönnt sie sich eine dänische Spezialität: Flødeboller!
Nichts anderes als eine getunte Schwedenbombe mit Deko, gefüllt und mit Sauce! Eine klebrige Schweinerei, die hier in Dänemark als ernstzunehmendes Dessert serviert wird - während wir in Österreich diese Traditionsnascherei einfach pur aus dem Karton mampfen. Nein, die deutschen "Dickmanns" sind damit nicht zu vergleichen und nicht nur, weil sie erst 60 Jahre später erfunden wurden...
Auch heute kommen die traditionellen Nachtwächter von Ringkøbing vorbei und singen ihre schönen Weisen (>> Clip). Wir sind glücklich, trotz des Künstlerpechs heute vormittags soviel gesehen zu haben. Morgen verlassen wir das liebgewonnene Ringkøbing. Und für das nächste Mal heben wir uns Hvide Sande, Dünen und den alten Hof des Strandvogtes auf!
Tageskilometer: 105 km
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