Heute und morgen bleiben wir in Helsinki!
Wenn euch unser winziger und völlig subjektiver Reiseführer aber nicht interessiert,
dann müsst ihr euch noch ein bissl gedulden.
"Motorrad-Kulturreisen"! Was habt ihr denn erwartet?
Wir haben in unserer schönen Hütte prächtig geschlafen, als wir uns um 8:30 aus den Federn wälzen. Weil draußen die Sonne scheint und es mit windstillen 20°C auch schon ziemlich warm ist, richten wir unser Sonntagsfrühstück auf unserer kleinen Terrasse an. Wir haben richtig Urlaubsstimmung heute!
Diesen Campingplatz haben wir aus einem für uns wichtigen Grund ausgewählt: Er hat eine eigene U-Bahnstation "Rastila", so dass wir mit dem Öffi unkompliziert in Helsinkis Altstadt kommen! Es sind nur 7 Minuten zu Fuß bis zur Station, davon allerdings mehr als die Hälfte über den enorm weitläufigen Campingplatz.
Wir ziehen schnell zwei Tickets á 12.- aus dem Automaten. Sie gelten lt. Übersichtskarte für die "Zone A/B + die Festungsinsel Suomenlinna" und sind 24 Stunden gültig. Das sollte reichen! Die supermoderne Metro bringt uns in 20 Minuten direkt zur Station "Rautatientiori", dem Bahnhofsplatz! Wir genießen die 10 Stationen lange Fahrt und den Ausblick auf die finnische Hauptstadt mit ihren Stränden und Schären!
Wir haben uns längst einen kleinen Stadtplan gekauft und kaum, dass uns die U-Bahn mitten in der City ausgespuckt hat, eilen wir in eines der unzähligen Straßencafés in der "Keskuskatu", der wichtigsten Shoppingmeile. Wir brauchen Kaffee und ein wenig Orientierung! Helsinki überschwemmt uns mit fast südländischem Lebensgefühl! An diesem Sonntag sind Menschenmengen unterwegs und an jeder Ecke sorgen talentierte Straßenmusiker für gute Laune.
Weil wir so gemütlich bei einem völlig überteuerten Kaffee an der Ecke zur "Esplanade" sitzen, entscheiden wir uns, gleich hier unseren Stadtbummel zu beginnen. Die Esplanade ist eine noble Einkaufsstraße, die durch einen langgezogenen Park in einen nördlichen und südlichen Teil geteilt wird. Im Park herrscht reges Treiben! Unzählige junge Menschen sitzen kurzärmelig im Gras und feiern ... ja was auch immer. Den Sommer vermutlich, denn der hat erstens heute 25°C und dauert zweitens hier nur kurz.
Wir stiefeln nun mehr oder weniger zielstrebig zum "Senaatintori/Senatsplatz". Dort ist die zentrale Station der Hop-On-Hop-Off-Busse, mit denen wir in jeder fremden Stadt gerne fahren. Man bekommt auf die gemütlichste Art und Weise einen guten Überblick! Diese Gewohnheit bringt uns hier sogar bares Geld! Wir erstehen zwei Tickets um ingesamt nur 51.-, denn der Stammgastrabatt beträgt doch immerhin 14.- Also den Gegenwert von zwei guten Kaffees!
Wir lungern in den bequemen Sitzen und lassen uns von der angenehmen Stimme im Audio-Guide berieseln. Bei 19 Stationen kommen wir an einigen Plätzen vorbei, die wir uns bis morgen Nachmittag anschauen wollen! Helsinki ist eine spannende Stadt! Jugendstil neben postmodernen Betonglaspalästen, ein weitläufiges Südufer an der Ostsee und junges Publikum. Wir werden erst nach dieser Reise lesen, dass die größte Altersgruppe dieser Universitätsstadt tatsächlich die "Twentysomethings" sind.
1,5 Stunden später latschen wir mit dem Stadtplan in der Hand zur berühmten Felsenkirche. Uns ist heiß und der Weg ist länger als gedacht. Unsere Enttäuschung steht uns ins Gesicht geschrieben, als wir eine halbe Stunde später vor verschlossenen Toren stehen. Die "Temppeliaukionkirkko" ist sonntags für Besichtigungen geschlossen! Kirche = Sonntagsgottesdienst. Wie dämlich kann man eigentlich sein?! Oder wie zeitlos im Urlaub? Wir kaufen bei einem kleinen Souvenirladen kühle Getränke und eine Packung Cracker und machen erstmal Pause.
Es nutzt nichts, wir müssen wieder zurück! Mit dem Plan in der Hand stiefeln wir wieder Richtung Senatsplatz, nicht ohne in einer mondänen Einkaufsstraße noch bei "Deliberi" eine ausgiebige Pause mit einigen Snacks zu machen, die man hier praktischerweise stückweise á 3.- aussuchen kann. Möwenalarm ist hier übrigens allgegenwärtig (und auch berechtigt)!
Einen längeren Fußmarsch später stehen wir wieder am Senatsplatz und steigen die unzähligen Stufen zum Dom von Helsinki hinauf. Was für ein Prachtbau! Was für eine Demonstration von Macht und Stärke! Wie eine uneinnehmbare Burg steht das blendendweiße Gebäude in der Mitte des weiträumigen Platzes auf einer Anhöhe. Hier ist nichts mit lutherischer Bescheidenheit!
Vom Kirchenportal hat man einen sensationellen Ausblick über die Stadt bis hinüber zum Meer und es ist vollkommen egal, von welcher Richtung man kommt. Diese Kirche ist von allen vier Seiten exakt ident gebaut. Jeder Finne soll sein wichtigstes Gotteshaus in gleicher Weise bewundern können.
Das lesen wir, während wir uns müde geworden auf einer Kirchenbank niederlassen. Plötzlich ertönt in die Stille hinein ein mächtiger Orgelakkord! Wir Touristen gucken einander verwundert an und einige Leute nehmen nun neugierig Platz. Während wir die Bescheidenheit der Innenausstattung bewundern, ertönt von weit oben ein fantastisches Orgelkonzert! Verschiedene Stücke alter Kirchenmusik werden uns hier präsentiert und wir wundern uns über den kostenlosen Kunstgenuss. Tatsächlich übt hier nur ein junger Musiker für sein abendliches Konzert! Viel Übung benötigt er nicht mehr, so unfassbar schön wie das klingt...
Mit einem letzten Blick über die Stadt zu den hohen Schornsteinen der Fähren im Hafen und zu den singenden Gebetskreisen mit ukrainischen Flaggen, verlassen wir den Dom am Senatsplatz.
Über uraltes Kopfsteinpflaster schlendern wir zum Marktplatz, der direkt in den Hafen übergeht. Die Sonne brennt vom Himmel und uns ist wirklich warm geworden, als wir an der Hafenpromenade ein schönes Café entdecken. Direkt neben dem Freibad, wo zahlreiche Kinder begeistert ins Wasser der Ostsee hüpfen.
Während Angelika einen guten Platz sucht (windgeschützt, mit Aussicht!), eilt Didi ohne Verzögerung ins Lokal. Er schüttet sich aus vor Lachen, als er nur Minuten später vorsichtig zwei Gläser ins Freie balanciert, zu je einem Viertel gefüllt mit goldgelbem Wein. Was ist passiert?! Der Preis von 38.- war tatsächlich kein Missverständnis! In Helsinki meint man solch absurde Preise bitterernst!
Wir genießen langsam jeden einzelnen Schluck des überaus kostbaren Getränks, während wir aufs glitzernde Wasser, zur alten Markthalle gegenüber und auf das Präsidentenpalais da drüben schauen. Das ist Urlaub, oder? Schau! Die Viking-Line aus Tallinn steht noch da drüben! Sie fährt erst um 17:00 wieder zurück nach Estland. Wir erinnern uns, dass wir mit dieser Fähre anreisen wollten, hätte uns "Covid-19" nicht auch diese Reise vermasselt.
Es hat immer noch 25°C und das bedeutet für den Normalfinnen Hochsommer! Wir kommen uns in langen Hosen ein wenig seltsam vor neben finnischem Jungvolk in dünnen Minikleidchen und Flip-Flops.
Wir sitzen lange im Sonnenschein und können uns nicht für den Rückweg aufraffen. Doch langsam meldet sich der Hunger und wir stiefeln über die Esplanade mit ihren unzähligen Geschäften und Lokalen zurück zur U-Bahnstation "Rautatientori", dem Bahnhofsplatz. Nicht ohne noch den Fahrplan der Fähre nach Suomenlinna studiert zu haben, aber das ist etwas für morgen...
Einen kleinen Lebensmitteleinkauf später schlingert die U-Bahn mit uns auch schon Richtung Endstation "Rastila", unserem Campingplatz. Wir überlegen noch einen Kaffee im Campingrestaurant, aber wir haben für heute eigentlich schon genug. Es ist 20:00, als wir wieder bei unserer Hütte angelangt sind.
Noch schnell ein gutes Travellunch anrühren und ein wenig Fotos gucken. Wir sind von der langen Reise müde geworden und gehen früh schlafen.
Tageskilometer: 7 km zu Fuß!
19. Tag: Helsinki (Stadt und Suomenlinna)
Als uns die U-Bahn am späten Vormittag wieder am - mit der ukrainischen Flagge geschmückten - Zentralbahnhof ausspuckt, haben wir schon ein gemütliches Hüttenfrühstück hinter uns. Obwohl die Sonne trüb vom Himmel scheint, war es mit windigen 18°C zu frisch für Outdoor und wir haben es uns in der hübschen Sitzecke unseres Häuschens bequem gemacht.
Während wir wieder zum Senatsplatz eilen, kramt Angelika ihren zerknitterten Fahrplan der Hop-On-Hop-Off-Linie aus der Tasche. Das 24-Stunden-Ticket gilt noch! Wir haben Glück und erwischen einen Bus knapp vor der Abfahrt und schon schaukeln wir behäbig ein paar Stationen bis zur Felsenkirche "Temppeliaukionkirkko". Heute ist Montag und eine Besichtigung ist möglich! Wir erstehen zwei günstige Tickets á 5.- und treten andächtig ein. Meine Güte, was für ein ungewöhnliches Gebäude!
Langsam schlendern wir durch die Felsengrotte, in die dieses Gotteshaus halb unterirdisch gebaut wurde. Sichtbeton, viel Glas und eine enorme glänzende Kuppel aus 22 Kilometern (!) Kupferdraht ergänzen das Ensemble, das hell von goldenen Sonnenstrahlen durchflutet wird.
Ganz leise spielt schöne Orgelmusik und wir sind dankbar, dass die wenigen Touristen hier ebenfalls andächtige Ruhe einhalten. Ein fast magischer Eindruck! Wer hätte das gedacht, bei der Aufregung, die 1969 wegen der ungewöhnlichen Architektur bei der Eröffnung herrschte? (Doch die Erbauer hatten sich etwas dabei gedacht: Haben nicht die Urchristen auch in den unterirdischen Fels-Katakomben Roms ihre Messen gefeiert?)
Nach diesem Highlight wollen wir wieder in den Hafen. Doch unser Bus fährt uns vor der Nase weg und wir nehmen einfach irgendeinen, der gefühlt in die gleiche Richtung fährt. Wie man sich doch irren kann! Als wir endgültig die Orientierung verloren haben, erreichen wir "Kamppi".
Nicht nur eine zentrale Station, sondern ein ganzes unterirdisches Einkaufszentrum breitet sich vor uns aus! Die Bahnsteige sind hier Nebensache. Wie kompliziert kann die kleinste (dafür nördlichste!) U-Bahn der Welt schon sein? Wir entscheiden uns, einfach den Zug Richtung Universität zu nehmen.
Was für eine gute Idee das war! Wir sind genau richtig! Schon eilen wir an der Universität vorbei, beobachten eifrige Studenten bei engagiert geführten Diskussionen mit ihren Lehrkräften und erreichen die "Alte Markthalle" im Hafen. Man hat uns einen Besuch dringend empfohlen!
Manchmal empfiehlt es sich, auf Reiseführer zu hören und das Rad nicht selbst neu erfinden zu wollen. Als wir die schwere Türe zur Vanha Kaupahalli" öffnen, bleibt uns schier der Mund offenstehen. Ein wirklich schönes, historisch wertvolles und in seiner Originalität beeindruckendes Ambiente empfängt uns.
Marktstände aus dunklem, poliertem Holz, eine Köstlichkeit neben der anderen und fremdländisch wirkende Spezialitäten werden hier seit 130 Jahren liebevoll und dekorativ angeboten.
Wir können uns kaum sattsehen, als wir an den Theken mit den präsentierten Delikatessen vorbeischlendern! Hier trifft man sich, es geht ums Sehen und Gesehen werden. Hübsche Finninnen und attraktive Landsmänner lehnen betont cool an hohen Tischen und genießen ihren kleinen Einkauf bei einem Glas Wein und schöner Gesellschaft. Einen guten Apfel-Cider gibts in Helsinki übrigens an jeder Ecke und das Glas ist mit 7.- auch ziemlich wohlfeil!
Als wir es den Finnen gleichtun und an einem Standl bei Siideri und Piroggi eine Pause einlegen, sind bereits einige Stücke so deftig wie teure Bärensalami, interessanter Trockenfisch und eine fremd aussehende Marmelade in unsere Tasche gewandert.
Jetzt aber schnell! Zum Glück haben wir gestern schon den Fahrplan der kleinen Fähre dort vorne studiert und so erreichen wir den Abfahrtsort gerade pünktlich um 15:00. Wir wollen nach "Suomenlinna" übersetzen (>> interaktiver Skyview)!
Diese kleine vorgelagerte Felseninsel ist nur 20 Minuten Bootsfahrt entfernt und für das Öffi-Ticket ist die "Finnen- und Schwedenburg" einfach ein weiterer Bezirk Helsinkis. Unkompliziert einsteigen und mitfahren!
Infobox
Im 18. Jhdt. gehörte Finnland zu Schweden, als die Schweden 1750 die "Sveaborg/Schwedenburg" als Trockendock für ihre Schärenflotte anlegten. Die ehrgeizigen Pläne einer Seefestung scheiterten bald an den finanziellen Aufwendungen und so wurde die Sveaborg nie fertiggebaut.
Obwohl die Schweden hier einige kleine Siege gegen Russland feierten, übergab ein Kommandant aus bis heute ungeklärten Gründen 1808 die Burg den Russen.
Die bauten vor allem eine hübsche Kirche auf der Insel, sonst war nicht viel los. Nur im Krimkrieg 1856 erlitt die Sveaborg, die nun "Viapori" hieß, einige Schäden und langsam begann der Verfall. Im Ersten Weltkrieg war Viapori nur mehr eine unbedeutende kleine Festung von Zar Alexander. Sie sollte die russische Hauptstadt St. Petersburg schützen.
Als Finnland 1917 endlich unabhängig wurde, übernahm es die ehemalige Schwedenburg, nannten sie "Suomenlinna/Finnenburg" und reparierten, was möglich war. Im Winterkrieg 1939 wurde hier die U-Bootflotte stationiert, später war sie Quartier verschiedener Militäreinheiten und Gefängnis.
In den 70er Jahren zog das Militär aus und Suomenlinna wurde eine Touristenattraktion. Nur die finnische Marineakademie ist hier noch beheimatet. Seit 1991 ist die Finnenburg auch UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Sonne wärmt uns, als wir im Zentrum der enormen Anlage einen guten Kaffee, Sandwiches und Ohrfeigen genießen, bevor wir gemütlich über das weitläufige Gelände streunen und uns in den umfangreichen Bauarbeiten verirren. Es ist ein enormer Festungsbau und wir latschen lange an uralten Gemäuern vorbei.
Wir gucken in dunkle Burgverliese, beäugen uralte Schiffswerften und bestaunen die mächtigen Kanonen, die immer noch martialisch in Richtung Ostsee zeigen. Auf der 250 Jahre alten Werft wird sogar noch gearbeitet!
Ein scharfer Wind droht, uns von der Klippe zu werfen, als wir die hoch über dem Wasser gelegenen Zinnen entlang stiefeln und die frisch geschlüpften Gänseküken bemitleiden. Die neugierigen Wuserl flüchten bei jedem kalten Windstoß entsetzt unter das elterliche Flügeldach.
Es ist trotz Sonnenschein kalt auf Suomenlinna. Die Insel ist Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt.
Wir haben beim alten U-Boot aus 1933, das verlassen in einer Bucht dümpelt, noch eine kleine Pause eingelegt, bevor wir wieder an Bord gehen und hinüber nach Helsinki tuckern. Müde dösen wir ein wenig ein, es ist schon 19:30 und es war ein langer Tag!
Dennoch fällt uns der Abschied von der finnischen Hauptstadt mit ihrem gemütlichen Flair schwer. Ach, ein letzter Kaffee geht immer, oder? Was für eine angenehme Überraschung, dass im "Hemingway´s" eine große Tasse davon nur 3.- kostet!
Jetzt gibt es endgültig nichts mehr zu tun. Noch schnell ein paar Kleinigkeiten im Supermarkt besorgen und mit der U-Bahn nach Hause rasseln.
Es ist 21:00 geworden, als wir zur Feier des letzten finnischen Abends den großen "Kukko" auspacken, den wir vorgestern von der lieben Bauersfrau in Virolahti erstanden haben. Jetzt wissen wir auch, was das ist! Große Fleischstücke und Kartoffeln sind in würzigen Brotteig eingebacken. Ein wenig warm gemacht, ist es eine Köstlichkeit sondergleichen!
Gute Nacht, Helsinki!
Tageskilometer: 8 km zu Fuß
Hier fahren wir weiter: >> klick