Wir haben nicht besonders gut geschlafen. Zu Gunsten von viel mehr Platz haben wir auf den Schlafwagen verzichtet und ein Privatabteil im Liegewagen genommen. Wie gesagt, viel mehr Platz aber fürchterlich unbequeme Betten. Es ist 8:00, als der nette Stewart unser kleines Frühstück bringt und wir schauen verschlafen aus dem Fenster.
Wir sind gerade in München und - wie wir nachrechnen - wir sind seit der Abfahrt immer noch eine halbe Stunde verspätet. Wir haben also noch viel Zeit! Vor 10:00 werden wir nicht ankommen. Aber alles ist besser als 7 Stunden Verspätung wie voriges Jahr! Das war der Tag, an dem ganze Regionen Deutschlands untergingen...
Als wir draußen schon Innsbruck erkennen können, winden wir uns in unsere Motorradsachen und packen unser bissl Zeug zusammen. Doch, halt! Wo fährt der Zug jetzt hin?! Diese Station kennen wir gar nicht! Wir gucken hilflos aus dem Fenster, als sich der Zug von Innsbruck wieder entfernt und nach Süden abbiegt.
Wir stehen in einem pittoresken Tal und schauen hinunter in eine malerisch-einsame Schlucht. Bitte, wo sind wir hier? Als uns die Wartezeit zu lang wird, finden wir den Zugbegleiter, der nachsichtig erklärt, dass wir hier in der Sillschlucht stehen. Wegen Gleisreparaturen in Innsbruck müssen wir eine andere Einfahrt in die Landeshauptstadt nehmen.
Wir verbreiten diese Nachricht an einige Motorradfahrer, die mangels Ortskenntnis noch verwirrter sind als wir. Trotz allem sind wir froh, als wir mit insgesamt 2,5 Stunden Verspätung um 10:50 endlich am richtigen Bahnsteig halten und wir die Motorräder von der Ladeplattform lenken. Ob wir jemals wieder mit diesem lästigen Autozug fahren werden? Immerhin sind es von hier noch über 400 km nach Hause...
Um 11:30 sind wir abfahrtsbereit! Die ersten 60 km reißen wir auf der A12-Inntalautobahn ab. Wir kennen keine schönere Alternative, wenn man durch das schmale Inntal in den Osten will. Erst in Wörgl biegen wir auf die B178 mit ihrer gewohnten Verkehrshölle. Wir schauen kaum links und rechts, denn uns macht die - durch den fehlenden Autozug Hamburg-Wien - erzwungene Fahrt keinen Spaß.
Hier ist hochtouristisches Gebiet und wir müssen mal raus aus dem Verkehr. In Söll bietet sich dazu die erste Gelegenheit! Wir lenken die braven Transalps auf den großen Parkplatz eines modernen Bistros am Straßenrand. Schau, da sind noch zwei Schattenplätze frei! Uns ist heiß geworden. Am 17. Juni ist in Österreich schon Hochsommer mit 33°C.
Hungrig mampfen wir Leberkäs- und Schnitzelsemmerl und dazu ausreichend Kaffee. Lecker! Das "Baguette" am Straßenrand von Söll ist eine Empfehlung! Das dürftige Zugsfrühstück ist längst vergessen und wir holen Nachschlag. Wir versuchen, die Pause etwas auszudehnen, auch wenn wir noch einiges an Strecke vor uns haben.
Als wir über Ellmau weiterfahren, erreicht der Verkehrsinfarkt seinen Höhepunkt. Hier treffen Touristen (Bergdoktor! Stanglwirt! Schloss Ellmau!) auf grantige Arbeitnehmer, die heute Freitag müde in den Feierabend fahren und auf Bauern, die mit ihren quälend langsamen Fuhrwerken ihrem nie enden wollenden Tagwerk nachgehen.
Leider hat unser traditioneller Pausenplatz "Waldstüberl" bei Waidring heute geschlossen! Hier gibt es die besten Bosna und Bratwürste weit und breit und zwischen den lässigen LKW-Fernfahrern immer lustige Stimmung. Wir verlangsamen nur kurz und fahren einfach weiter.
Erst kurz später halten wir an. Wir haben am Kniepass eine ganz hübsche Ausweiche am Straßenrand gefunden. Wir schwitzen und uns ist heiß. Hier hat sich die Saalach tief ins Tal hineingefressen und mit der Innersbachklamm eine pittoreske Schlucht gebildet. Aus Mangel an Getränken, die wir blöderweise vergessen haben einzukaufen, wird das nur ein kurzer Aufenthalt. Aber wir müssen kurz die verschwitzten Jacken ausziehen! Wir haben noch nicht mal Halbzeit auf unserer Strecke!
Über Schneizlreuth, Bad Reichenhall und Walserberg gehts es mit zwei unauffälligen Grenzübertritten übers Kleine Deutsche Eck bis Salzburg. Die schikanösen Blödheiten zwischen den Nachbarländern während der Corona-Pandemie, die für die Arbeitspendler aus dieser Region einen täglich Umweg von 100 km bedeuteten, sorgen bis heute für Verärgerung!
Die B178, die in hübschen Kurven durch den Wald führt, wechselt dabei mehrfach ihren Namen (B20/B21/B1), bis sie am Knoten "Salzburg West" die A1-Westautobahn erreicht.
Wir haben für heute schon genug. Es gibts nichts Öderes als Autobahnfahrten mit dem Motorrad! Eine schnelle Tankpause bei Strass/Attergau und um Punkt 18:00 sitzen wir schon müde aber zufrieden bei einem leckeren Stück Kuchen in unserem kleinen Café ums Eck unserer Linzer Wohnung. Erst mal ankommen.
Es hat immer noch 31°C, als wir kurz später die Transalps auf unseren Parkplatz wuchten. Wir sind zu Hause! Und weil nichts anderes vorrätig ist, rühren wir jetzt das letzte Travellunch der Motorradreise an. Wir haben sogar noch ein Mousse et Chocolat, das wir uns jetzt teilen!
Wir sitzen lange am Balkon und lassen diesen Tag Revue passieren. Passt uns der Autozug noch? Ob wir ein Fazit über die Finnlandreise schreiben können? Schaffen wir das? Oder war dieses Land zu vielfältig, um die Eindrücke in ein paar dürre Sätze zu pressen?
Wir werden sehen!
Tageskilometer: 290 km